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Nationalokkultismus

Über die Spiritualität des rechten Untergrunds

Arfst Wagner

Es bewahrheitet sich immer wieder der Ausspruch, daß wir von keiner Zeit unserer Geschichte so viele Informationen und Quellen vorliegen haben und von der wir zugleich so wenig wissen, wie von der Zeit des Nationalsozialismus. Im Rückblick auf den sogenannten „Historikerstreit“ des Jahres 1986 schreibt Rainer Zitelmann:

"... da nun einmal von Hitlers Motiven und seiner Weltanschauung die Rede ist, hätte man die Äußerungen von Hitler daraufhin untersuchen müssen, ob sie Noltes Thesen stützen können oder nicht. Dies geschah jedoch in der Historikerdebatte nicht, oder wenn, dann nur am Rande. Dies mag seinen Grund nicht zuletzt darin haben, daß viele derjenigen, die sich an der Debatte beteiligten, die Quellen, die hier heranzuziehen wären, zum großen Teil gar nicht kennen." 2

Dies gilt nun vielleicht in noch größerem Maße für das Thema, das mit dieser Arbeit gestellt ist, nämlich den weltanschaulich-religiösen Hintergrund von Nationalsozialisten und Faschisten zu charakterisieren. Um das oben genannte Problem zu vermeiden, soll dieser Hintergrund aus den Quellen selber heraus dargestellt werden. Viele Inhalte dieser Quellen können dabei nur dargestellt, nicht oder nur unvollkommen richtiggestellt werden. So ist z.B. gelegentlich vom "Heiligen Gral" die Rede. Ausführlich auf das Thema "Wolfram von Eschenbach und die Wirklichkeit des Grals" einzugehen – so der Titel eines nicht ganz unproblematischen Buches von Werner Greub 3 – oder gar die Geschichte vom Heiligen Gral im 20. Jahrhundert darzustellen vermag die vorliegende Arbeit nicht. Obgleich die von der SS geförderte "Suche nach dem Heiligen Gral" sicher auch zur Kehrseite dieser Geschichte gehört.

Auch auf eine Bewertung, geistesgeschichtlich oder historisch, möchte diese Arbeit weitgehend verzichten. Auf dem Felde der angesprochenen Fragen herrscht die Legendenbildung. Selbst wenn es so kommen wird, daß mir eine Förderung dieser Legendenbildung vorgeworfen wird, so möchte ich sie doch gerade vermeiden. C.G. Harrison sagte in seinen Vorträgen über "Das transcendentale Weltenall" im Jahre 1893 bereits: "Wenn wenig Wissen eine Gefahr ist, liegt das Gegenmittel sicherlich nicht in Unwissenheit, sondern in mehr Wissen." 4

Wie sich aus dieser Arbeit ergeben wird, bin ich nicht der Ansicht, daß die Weltanschauung des Nationalsozialismus heute tot ist, denn sonst hätte ich mir diese Arbeit erspart. Die Anschauungen heutiger sogenannter Faschisten oder Neonazis, zu denen z.B. die Partei der Republikaner gerechnet wird, werden dabei nicht berücksichtigt. Ich möchte die Ansicht vertreten, daß die Bezeichnung der Republikaner als "Nazis" eine Verharmlosung des wirklichen Nationalsozialismus ist.

Ich erinnere dabei an die Worte Eberhard Jäckels, daß die Geschehnisse im Dritten Reich in Bezirke hinüberreichten, "in denen es der erklärenden Vernunft die Sprache verschlägt. [...] Auch der nüchterne Historiker, der sich mit der Bemühung um Verständnis in die Vergangenheit versenkt, weiß, daß es mehr Dinge zwischen Himmel und Erde gibt, als seine Schulweisheit erklären kann. [...] Schurken und Verbrecher sind leicht genannt, sind zumal nachträglich faßbar und anschaulich." 5

Jäckel schreibt im letzten Satz des eben zitierten Buches "Hitlers Weltanschauung": "Eines jedoch gehört noch dazu, und das ist, daß auch der tote Hitler immer mit den Deutschen sein wird, mit den überlebenden, mit den nachlebenden und sogar mit den noch ungeborenen ... als ewiges Denkmal des Menschenmöglichen." 6

 

Die spirituelle Sehnsucht der Seelen zu Beginn des 20. Jahrhunderts

Um die nachfolgenden Darstellungen geistiger Verirrungen nachvollziehen zu können, wollen wir eine Aussage Rudolf Steiners heranziehen, die die Seelenlage von Menschenwesen, die sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts zur Inkarnation anschickten, beschreibt. Seine Ausführungen richten den Blick auf den Zusammenhang zwischen denjenigen Seelen, die um die Jahrhundertwende die Todespforte durchschritten, und anderen, die diesen in die geistige Welt aufsteigenden sogenannten Toten begegneten und an ihnen die Folgen des Materialismus des 19. Jahrhunderts wahrnahmen. In einem Vortrag in Dornach am 23.03.1919 beschreibt Steiner diese Begegnung und deren Wirkungen wie folgt:

"Das ist nicht gleichgültig, was der Mensch, indem er durch die Todespforte schreitet, in die geistige Welt mit hineinnimmt. Denn dasjenige, was der Mensch durch die Todespforte in die geistige Welt mit hineinnimmt, das wird wichtiges Erlebnis für diejenigen, die kurze Zeit darauf durch die Geburt in das physische Leben heruntersteigen. Es findet eine Art wichtiger, wesentlicher Begegnung statt zwischen denjenigen, die eine Zeitlang vor jener Zeit gestorben sind, und denjenigen, die hinterher geboren werden. Wichtige Erlebnisse haben die Geborenwerdenden mit den kurz vorher Gestorbenen. Gewissermaßen wie die Erde war, bevor diese, die jetzt hinaufkommen, durch die Todespforte gegangen sind, das erfahren nicht, aber erleben diejenigen, die demnächst heruntersteigen wollen. Sie werden auch in einer gewissen Weise vorbereitet für ihr Heruntersteigen durch dasjenige, was die kurz vor diesem Heruntersteigen durch die Todespforte Gehenden in die geistige Welt hinaufbringen.

Wir sind durch ein sehr materialistisches Zeitalter gegangen. Ein großer Teil der Menschheit hat bis 1913 in einer gewissen gedankenlosen Hinnahme der materiellen Interessen diese Welt durch den Tod verlassen. Hineingenommen in die geistige Welt haben die weitaus meisten Menschen bis 1913, 1914 wenig. Da waren Seelen in der geistigen Welt, welche diese Ankömmlinge gesehen haben. Die Seelen, die später, 1914, 1915, 1916, 1917 heruntersteigen sollten, die haben diese Ankömmlinge mit den Seelenresten des materialistischen Zeitalters hinaufkommen sehen. Das hat sich umgewandelt in diesen Seelen in eine furchtbare Sehnsucht.

Sehen Sie, das ist das Eigentümliche der Kinder, die seit dem Jahre 1912 oder 1913 geboren worden sind, daß sie die Reste in ihrem kindlichen Seelenleben, in ihrem Lächeln, in ihren Tränen, daß sie die Reste in ihrem kindlichen Seelenleben tragen von einer Sehnsucht, die sie durchgemacht haben, bevor sie durch die Geburt in das irdische Dasein heruntergestiegen sind. Und diese Sehnsucht ist in sie verpflanzt worden durch die Menschen, die hinaufgekommen sind. Die haben wenig Geistiges hinaufgebracht. Dieser furchtbare Mangel an Geistigem, den die Menschen hinaufgebracht haben in dieser Zeit in die geistigen Welten, der hat in einer großen Zahl von Kindern, die seit 1914 schon geboren worden sind oder die in den nächsten Jahren geboren werden, die Sehnsucht hervorgerufen, die Verhältnisse auf der Erde nicht wieder zu finden, die diejenigen verlassen haben, die also hinaufgestiegen sind.

Auf dem Grunde des Lebens der Gegenwart sah man eine merkwürdige Kraft, die ausging von denen, die geboren werden wollten." 7

Nehmen wir diese Beschreibung der Seelenlage von Menschen, die zu Beginn des Jahrhunderts geboren wurden, als eine Art Verständnismatrix für die im folgenden beschriebenen Vorgänge.

 

Der Schwarze und der Rote – Ein Exkurs zum Thema "Feindbild"

Die von Rudolf Steiner charakterisierten Sehnsüchte fanden hier auf der Erde wiederum gewisse Klischees vor, die leider auch heute noch in nicht sehr abgewandelter Form ihre Gültigkeit unter Beweis stellen. Ein solches, an sich längst überholtes Klischee ist das des Rechten und des Linken. In entsprechender Veränderung tritt es als der Gegensatz zwischen dem Schwarzen und dem Roten auf. Der vor einigen Jahren verstorbene katholische österreichische Historiker Friedrich Heer beschrieb diesen Gegensatz im Hinblick auf den Beginn des 20. Jahrhunderts in seinem Buch "Der Kampf um die österreichische Identität" mit folgenden Worten:

"'Farbe bekennen': Die Farbe spielt als Heilsfarbe, als Unheilsfarbe, als Kriegsfarbe, als Kultfarbe, als Farbe der Fahne, des Wappens, eines Clans, einer Partei (so bereits in Byzanz) eine unersetzliche Rolle. Sie hat die Funktion, ihren Träger auszuweisen als Heilsträger. Machtfarben im Kult antiker Mysterien, Machtfarben im spätrömischen Reich, Machtfarben im Gottesdienst, in der Liturgie der Kirche. Rot, weiß, gold (gelb), grün, blau sind die Heilsfarben Alteuropas. Das tausendjährige europäische 'Mittelalter', das in vielen Bezügen vom 9. bis ins 18./19. Jahrhundert reicht (in den 'archaischen Gesellschaften' des Landvolkes), ist von schier zahllosen Kämpfen, die in Farbe ausgetragen werden, erfüllt. Konzilien der Kirche suchen festzulegen, welche Farben – in der Kleidung – die Kleriker, Adelige, Bürger und das 'Volk' tragen dürfen. Farben im Parteikampf bezeugen zunächst in Italien zwischen 'Welfen' und 'Ghibellinen' die Machtübernahme dieser und jener Partei in einem Stadtstaat, in einer Stadt.

Die Geschichtslegende von der Entstehung des Wappens Rot-Weiß-Rot, des österreichischen Bindenschildes, im Dunstkreis der erbitterten Rivalitäten, der Nationen, die im Kreuzzug aufeinander stoßen, hier in der Konfrontation des Königs Richard Löwenherz mit einem Babenberger, hat im Blick auf unser 20. Jahrhundert diesen Sinn: Dieses Rot-Weiß-Rot ist frühumstritten, wird gemieden! Die Erste Republik Österreich zeigt selten ihre Farben Rot-Weiß-Rot, meist nur anläßlich von Staatsfeiertagen an amtlichen Gebäuden. Rot-Weiß-Rot existiert weithin faktisch nicht für das politische Bewußtsein dieser Bürger der Ersten Republik Österreich. Diese verstehen sich als 'Rote' und als 'Schwarze' und als 'Blaue'. Schönerer hatte das Blau der Kornblume, der Lieblingsblume Kaiser Wilhelms, als Heilsfarbe für seine Deutschösterreicher gewählt. Es sind Feindfarben, die ungeheure seelische Energien mobilisieren: Der 'rote Hund' und 'der Schwarze' signalisieren die Entbindung von seelischen Haßmassen: Menschen werden zu Haßmeuten, zu Hetzmeuten – diese Worte hat Elias Canetti in 'Masse und Macht' geprägt. Er hat im Wien der zwanziger und frühen dreißiger Jahre den Kampf der 'Schwarzen' und der 'Roten' am eigenen Leib erlebt. Während der Februarkämpfe des Jahres 1934 fand er Zuflucht in der Villa Franz Werfels und seiner Gemahlin Alma Mahler. Alles, was dem gehaßten und gefürchteten innenpolitischen Feind zugedacht wird, ballt sich zusammen in dem Feindbild des Schwarzen und Roten, in dem religiös-politischen Glaubenskampf, der den Untergrund der Ersten Republik bildet und sich im latenten, dann manifesten Bürgerkrieg in aller Öffentlichkeit präsentiert.

Rot: Das ist die Heilsfarbe der Gottheit, die Farbe der Heilsmacht, des Siegers. Der Christuskönig trägt als der Auferstandene die rote Fahne, die Fahne seines Sieges als sol invictus, als unbesiegbarer Sonnengott. Das Russische und Chinesische haben für 'rot' und 'schön' ein Wort. Die krasnaja armija, die Rote Armee, erschien 1917 für Millionen Bauern als Träger der Frohen Botschaft, der Auferstehung, der Erlösung, des 'roten Ostern', wie frühbolschewistische Dichter in direkter Anspielung auf die altrussische Liturgie die Oktoberrevolution besingen. Rot ist die Farbe der Hohen Gerichtsbarkeit, der Herrschaft über Leben und Tod. Verbunden mit dem Weiß, als Farbe des Friedens, bildet es die Reichsfarben, erhalten im Rot-Weiß vieler Städte, die zunächst damit ihre Zugehörigkeit zum alten Reich manifestierten, als Reichsstädte.

Das Rot des Kardinals, das Rot an der Hose von Generalstabsoffizieren, stammen noch von diesem uralten Rot ab. Als eine Auflösung des mörderischen Kampfes zwischen Roten und Schwarzen in Österreich präsentiert sich diese 'kleine Geschichte': Der alte kaiserliche General und Generalstabschef Dr. Theodor Körner, dem die ihm auf den Leib geschriebene Rolle als getreuer Eckehart der Sozialdemokratischen Bewegung genommen worden war, stand mit dem Kardinal Innitzer, dem sein Einsatz für den 'Christlichen Ständestaat' und für die Erklärung des österreichischen Episkopats anläßlich der 'Volksabstimmung' des 10. April 1938 bis zu seinem Tod verübelt wurde, auf dem Du-Fuß. Bei einem Staatsakt der Zweiten Republik Österreich tritt Körner, der sich im Frack des Bundespräsidenten sehr unwohl fühlte, auf den Kleinbauernsohn von der böhmisch-sächsischen Grenze, Innitzer, zu, der sich im Kardinalspurpur nicht weniger unwohl fühlte, und sagt ihm: 'Siehst du, heute kommst du als Roter und ich als Schwarzer!'

Die rote Farbe ist die Farbe des Heils, des siegreichen Gottes, des Häuptlings des Kriegers, des Medizinmannes. Die rote Farbe ist auch die Farbe des Unheils, des Bösen, des Teufels, des roten Hundes. Rot ist tiefenpsychologisch die Farbe der Linken und des Linken: Der Teufel steht links neben dem Gottkönig. Rot wird lange vor dem Sozialismus als Farbe des Heils, der Revolution, der Erlösung der leidenden, versklavten Bruder-Menschen, der Genossen, erwählt. Rot hätte sich nicht so tief einwurzeln können in der Psyche, als Heils- und als Unheilsfarbe, wenn es nicht schon seit Jahrtausenden in den Tiefenschichten der Seele präsent gewesen wäre.

Der 1. Mai ist lange vor seiner Erhebung, zunächst in England, zum Feiertag der Arbeiterbewegung ein uralter Feiertag des Volkes. Mittelalterliche Weistümer als schriftliche Fassung volkhaften Rechtes halten fest: Der König soll, wo immer er sich am 1. Mai befindet, mit den Kegeln spielen. Die Kegel sind die Kinder des Volkes, zunächst die unehelichen Kinder, wie noch das Rechtswort 'mit Kind und Kegel' festhält. Die über fünfzig Theologen, die das Mädchen aus dem Volke, Jeanne, die 'Jungfrau von Orleans', als Ketzerin entlarven wollen, fragen sie: 'Jeanne, hast du am 1. Mai unter dem Maibaum, dem Feenbaum, getanzt?'

Der 'Schwarze' betritt unseren österreichischen Geschichtsraum als Jesuit, als Vorkämpfer der Gegenreformation. Er ist der schwarze Mann, der mit teuflischer List und brutaler Gewalt das evangelische Volk in die Arme der dunklen Mutter Rom zurückzwingen will. Julien Bigras hat in seinem Buch 'Gute Mutter – Böse Mutter. Das Bild des Kindes von der Mutter', die spannungsgeladene Ambivalenz der 'Mutter' im Erleben des Menschenkindes aufgezeigt. Wir erinnern uns an die Polemik österreichischer Schriftsteller gegen den Jesuiten als finsteres, teuflisches Ungeheuer vom 18. zum frühen 20. Jahrhundert. Der Schwarz-Gelbe ist in der Sicht seiner religiös-politischen Feinde eine Verbindung von zwei Schutzmächten: des Hauses Österreich und Roms. Im Gelb, das nicht als Gold anerkannt wird, wird das Gelb des Neides, das Schwefelgelb des teuflischen Papstes in der gelb-weißen Kirchenfahne, der Papstfahne ersehen.

In der Ersten Republik Österreich fürchten die Schwarzen die Roten, die sich in Wien eine feste Burg ihres atheistischen Gottes gebaut haben, wörtlich, buchstäblich, als eine Verkörperung des Teufels, wobei 'Bolschewismus', 'Marxismus', 'Sozialismus', Judentum und Freimaurerei, 'Atheismus', Kirchenfeindschaft, Priesterfeindschaft, Lueger-Feindschaft etc. als Inkarnationen des roten Teufels erlebt werden.

Kluge und weitsichtige Sozialdemokraten ersahen, wie da aus den Tiefen archaischer und atavistischer Seelenlagen im Landvolk, in den kleinen Leuten der Christlichsozialen in Wien, uralte Ängste und damit Aggressionen aktiviert und mobilisiert wurden. Trotz einiger persönlicher Beziehungen zu Pionieren der Tiefenpsychologie gelang es weder in Österreich noch in Deutschland den führenden Männern der Sozialdemokratie, des Sozialismus, sich eine politische Tiefenpsychologie zu erarbeiten, die fähig gewesen wäre, den emotionalen Aufbruch aus diesen Tiefenschichten rational aufzubereiten und zunächst zu verstehen. Ernst Bloch hat dies früh, ab 1922, als einen Krebsschaden des Parteimarxismus ersehen.

Sigmund Freud hatte die Wiener Wohnung Victor Adlers übernommen. Otto Bauer kannte Freud persönlich und war mit seinen Lehren wohlvertraut. Freud warnt den jungen Otto Bauer: 'Versuchen Sie nicht, die Menschen glücklich zu machen, die Menschen wollen nicht glücklich sein.' Otto Bauer will die Menschen glücklich machen durch den Glauben an den Sozialismus, der ihnen Erlösung verheißt, Erlösung bringt. Zu diesem Heilsglauben gehört der Glaube an das Unheil, das die Gegner, die 'Todfeinde des Sozialismus' schaffen: 'die Schwarzen'." 8

Die Hakenkreuzfahne des Nationalsozialismus enthielt die Farben Rot, Schwarz, Weiß. Es war eine rote Fahne, in der Mitte ein weißer Kreis und darauf ein schwarzes Hakenkreuz. Das Feindbild des Roten, des Kommunisten, die Furcht vor dem "russischen Bären" mit dem roten Hammer und Sichel-Zeichen auf der Mütze war eine der Haupttriebfedern der deutschen Soldaten, nach Rußland einzumarschieren.

Die Feindbilder des Schwarzen und des Roten nutzte der Nationalsozialismus, um sich als "dritter Weg", als wahrer Heilsweg anzubieten. Die nach Spiritualität sehnsüchtigen Seelen trafen auf eine Welt, die in emotionsbeladenen Gegensätzen ihren Ausdruck fand. "Realos" und "Fundis" sind beide jahrtausendealt. Niemand wird behaupten, daß zum Ende des 20. Jahrhunderts die Gegensätze, wie sie z.B. Friedrich Heer beschreibt, überwunden sind. Auch nach dem Zusammenbruch des Kommunismus im Osten wird das Denken in der Polarität gut – böse nicht aufhören. Es sucht sich im Gegenteil heute wieder neue Feindbilder. Die Auseinandersetzung mit dem Entsetzlichen in der eigenen Seele wird weiter vermieden.

 

Der magische Speer

Es war bedauerlicherweise ein Anthroposoph, der als erster der Legende vom magischen "Speer des Schicksals" zur Publizität verhalf. 9 Sein Name ist Trevor Ravenscroft. Der den Reichskleinodien zugehörige Speer soll nach Ravenscroft mit dem Speer identisch sein, mit dem der Römer Longinus dem am Kreuze hängenden Christus die Wunde in die Seite stach. Über die Erfindungen des Trevor Ravenscroft, auf die erstaunlicherweise auch viele Anthroposophen hereinfielen, ist inzwischen sachgemäß geurteilt worden. 10 Die Legende lebt jedoch fort und treibt weitere Blüten.

In dem Roman "Die schwarze Sonne von Tashi Lhunpo" eines gewissen Russell McCloud 11 wird die angebliche Einweihung Adolf Hitlers wie folgt beschrieben.

"Wien, 14. März 1938:

Jetzt, da die Ereignisse von damals an seinem geistigen Auge vorbeizogen, stand er wieder dort, wo er 1910 das erste Mal gestanden war. Bis 1913 war er Dutzende Male hier gewesen, doch nie hatte er das Privileg genossen, allein zu sein, allein mit dem Speer des Schicksals, allein mit der Geschichte.

Heute hatten ihm seine Begleiter seinen Wunsch erfüllt. Schon mehr als eine halbe Stunde war verstrichen, seit sie die Tür hinter sich geschlossen hatten. Jetzt war er in Gedanken versunken, machte den Eindruck eines Meditierenden, der Zwiesprache mit seinem Gott hielt. Sein Kopf war nach vorne gereckt, sein stechender Blick starr auf den Speer gerichtet, der da auf rotem Samt vor ihm hingebreitet lag.

Plötzlich begann sein Oberkörper zu zittern, erst ganz leicht, dann immer stärker. Schließlich wurden seine Hände, sein Kopf, seine Beine davon ergriffen. Auf seinem Gesicht bildeten sich Schweißtropfen, die bei ihrem Abwärtsgleiten ihre salzigen Spuren auf der Haut hinterließen und die Haare seines schmalen Oberlippenbartes benetzten. Das Zittern ging in einen regelrechten Schüttelfrost über, doch sein Blick blieb weiterhin starr auf die Spitze des Speers gerichtet. Aber die Trance, die ihn überfiel, um sich seines Geistes zu bemächtigen, ließ seine Sinne nichts mehr wahrnehmen.

Sein Mund öffnete sich und heraus brach ein Schrei, der nichts Menschliches an sich hatte. Seine Arme schossen nach vorne, packten den Speer, rissen ihn in die Luft. Sein Kopf ruckte nach oben, seine dunklen Augen hefteten sich an das Stück Geschichte, das er in seinen ausgestreckten, zitternden Händen hielt. Seine Uniformmütze rutschte herab und fiel zu Boden. Eine Strähne seiner Haare hing ihm in die schweißgebadete Stirn.

Er war eins geworden mit den magischen Kräften, die der Speer ausstrahlte, deren Fluidum sich auf ihn übertrug, ihn erfüllte und ein Hochgefühl erzeugte, wie er es noch nie zuvor erlebt hatte.

Vier mal sieben Jahre – 28 insgesamt – hatte er auf diesen Moment gewartet. Jetzt, in der Nacht vom 14. auf den 15. März 1938, hielt er endlich den Speer in seinen Händen. Er war eins mit dem Schicksal geworden, ja er war selbst Schicksal. Sein Schrei verebbte, lief aus in einem Röcheln, sein Oberkörper fiel nach vorne und schlug polternd auf dem kleinen Tisch auf. Seine Finger umkrampften das Stück Metall, so, als ob sie schwören würden, es nie wieder loszulassen." 12

Nach Ravenscroft und McCloud besitze derjenige die Macht über die Weltereignisse, eine magische Macht, der den Speer des Schicksals in den Händen hielte bzw. durch den Speer eingeweiht würde. Es seien die Mächte von Agartha (oder Agarthi) und Schamballah, die um diese Weltmacht ringen würden. In den verschiedenen Publikationen differieren die Definitionen dieser beiden Mächte und der mit ihnen geheim wirkenden Menschengruppen, deren Existenz bis nach Atlantis, dem untergegangenen Kontinent, zurückreichen soll. In dem Buch von McCloud erzählt ein SS-Mann und "Eingeweihter" namens Karl Steiner folgendes über die Hintergründe der Geschichte dieser beiden spirituellen Zentren:

"Vor zwölftausend Jahren ging ein Reich in einer riesigen Katastrophe zu Ende, wie es bis heute nie wieder auf der Welt existiert hat. Thule war das Reich einer Rasse, die von den Göttern abstammte. Diese Rasse verfügte über ein unbeschreibliches Wissen, das weit über das heute bekannte hinausging. Doch es war kein Wissen, wie wir es heute kennen. Der Mensch der Gegenwart ist degeneriert. Er kann nur mehr Dinge erfassen, die seine fünf Sinne wahrnehmen können. Und er kann diese Dinge nur mehr nach den Gesetzen der Logik und der Rationalität verarbeiten. Die Wesen aus Thule dagegen lebten ebenso in der geistigen Welt wie in der materiellen. [...]

Einige der Wesen aus Thule überlebten die Katastrophe, die die Bibel als Sintflut beschreibt. Sie zogen in die Welt und trafen dort auf die Anfänge der Menschheit, die gerade ihre ersten Schritte in die Geschichte machte. Sie wurden als Götter verehrt, kein Wunder, denn sie stammten von ihnen ab. Ihre Fähigkeiten faszinierten die Menschen, die keine Erklärung dafür hatten. Doch was sollten die Wesen von Thule mit den Menschen tun? Diese Frage spaltete die letzten Abkömmlinge der Götter. Die einen wollten, wenn die Zeit dafür reif war, aus den Menschen ihresgleichen machen. Sie wollten ihnen den Hauch des Göttlichen verleihen und sie teilhaben lassen an ihrem gigantischen Wissen, sie emporsteigen lassen zu neuen Höhen. Die anderen wollten, daß die Menschen bleiben, was sie sind. Diese Gruppe wollte weiterhin als Götter verehrt werden. Für sie waren die Menschen nichts anderes als Herden von höheren Tieren, die der Führung von Hirten bedürfen. Sie wollten ihr göttliches Wissen mit niemandem teilen, denn sie fühlten sich selbst als Götter. Und so kam es, daß sich die Wesen von Thule in zwei Gruppen aufspalteten. Die einen folgten dem Weg zur linken Hand und nannten sich nach ihrem Orakel Agarthi. Die anderen, die dem Rechtsweg folgten und weiterhin als Götter verehrt werden wollten, waren die Schamballah. Beide Gruppen aber, selbst jene der Schamballah, vermischten sich im Laufe der Jahrtausende mit den Menschen, so daß sie ihnen äußerlich immer mehr glichen. Und doch wurde das aus Thule überlieferte Wissen bis heute bewahrt. Die beiden Gruppen aber, Agarthi und Schamballah, stehen seit Jahrtausenden im Kampf gegeneinander. Und das unterschiedliche Schicksal, das sie den Menschen zugedacht haben, ist der Grund dafür." 13

Und einige Seiten weiter:

"'Die Männer von Agarthi leben seit Jahrtausenden unter den Menschen. 1945 war das Ende eines gescheiterten Versuchs, die Kräfte der Schamballah zu besiegen. Doch es war noch lange nicht das Ende der Ideen von Agarthi. Wir hatten vorgesorgt.'

Weigert fiel auf, daß Steiner erstmals von 'Wir' sprach. Die ganze Zeit über hatte er nur berichtet, als sei er Außenstehender, ein Chronist von Ereignissen, an denen er selbst keinen Anteil hatte. Zeitweise hatte Weigert dabei sogar vergessen, daß Steiner ja auch ein Teil dieses okkulten Mosaiks war.

'Nur wenige Stunden nach meiner Geburt wurde ich den Männern von Agarthi geweiht. Während ich aufwuchs, lehrte man mich das geheime Wissen, das sie über Jahrtausende bewahrt hatten. Als ich 20 Jahre alt war, erhielt ich im Tempel der Wewelsburg meine letzte Weihe. Draußen tobte bereits der Krieg. Die Wehrmacht siegte – noch. Wir aber bereiteten uns für die Zeit danach vor. Gleichgültig, wie der Kampf ausgehen sollte, wir sollten hinausgehen in die Welt, um das Wissen zu bewahren, das Wissen davon, daß der Mensch den Göttern ins Angesicht blicken kann, wenn er nur selbst lernt, eines zu besitzen.

Es gab Hunderte wie mich in Deutschland. Ich ging mit zwölf meiner Kameraden 1942 nach Tibet, um anderen zu folgen, die schon länger hier waren. Als sich zeigte, daß das Kriegsglück nicht mehr auf der Seite Agarthis stand, wurden viele andere aus dem Reich fortgeschafft. Mit Flugzeugen, Schiffen, U-Booten oder auf dem Landweg. Sie hatten es nicht schwer, in der Welt Fuß zu fassen. Denn nur die wenigsten von ihnen hatten eine verfängliche Vergangenheit in den NS-Strukturen, die belegbar gewesen wäre. Außerdem hatten wir alle eine hervorragende Ausbildung genossen, um uns auch in der realen Welt eine angemessene Position schaffen zu können. Alle, die gingen, waren bereit, das Wissen Agarthis zu bewahren, um in einer fernen Stunde, in anderer Gestalt, wieder zu kommen. Die schwarze Sonne, das Zeichen Agarthis, lebt.'" 14

Die Kräfte von Agarthi, als deren Mitglied sich Karl Steiner zu erkennen gibt – so diese Geschichte –, hätten zu Beginn des Jahrhunderts ein Bindeglied zwischen der geistigen Welt und den darin lebenden Inspirationen von Agarthi und der irdischen Welt geschaffen. Dieses Bindeglied sei die Thule-Gesellschaft gewesen. Mitglieder dieser Thule-Gesellschaft waren unter anderem Adolf Hitler, Dietrich Eckart, Karl Haushofer, Rudolf Hess und Alfred Rosenberg.

Am Ende des Romans wird der Speer in einem tiefen österreichischen Bergsee versenkt, all denen entzogen, die nach seiner Macht trachteten. Hoffentlich bleibt er auch literarisch dort verborgen.

Bisher schien es angebracht, solche auf den ersten Blick verworren scheinenden Gedankengänge nicht weiter zur Kenntnis zu nehmen. Der im Jahre 1991 erschienene Roman von Russell McCloud brachte sie allerdings nun wiederum an die Oberfläche, nachdem der Rummel um das Ravenscroft-Buch weitgehend abgeebbt schien.

Außerdem brachte das größte deutsche New Age-Magazin 2000 – Magazin für Neues Bewußtsein in der Ausgabe vom August/September 1992 einen ausführlichen Artikel von Stefan Ulbrich zu diesem Thema mit dem Titel: "Die Schwarze Sonne – Die magischen Wurzeln des Nationalsozialismus", der – man sollte es kaum glauben – die "magischen Wurzeln des Nationalsozialismus" offenbar für bare Münze nimmt. Überhaupt war das Thema des Heftes von diesbezüglichem Interesse: "Deutschland – die Vereinigung von Polaritäten". Ein beliebtes Thema, das auch hier wieder aufgegriffen wurde: "Kraftort Deutschland – die 14 wichtigsten Kultplätze des Vereinten Deutschland". 15

Ein amerikanisches Autorenteam, Col. Howard A. Buechner und Capt. Wilhelm Bernhart, geht so weit, den Weg der "Heiligen Lanze" nach 1945 nachzuzeichnen. 16 Bernhart war Deutscher und während des Zweiten Weltkrieges Offizier auf dem deutschen Unterseeboot U-530. Bernhart schreibt, daß der Auftrag von U-530 zu Kriegsende gelautet habe, den Speer des Schicksals in Sicherheit zu bringen. – Ein weiteres Buch der beiden Autoren ist betitelt "Hitlers Ashes" 17

Ulbrich schreibt zur "Heiligen Lanze": "Bei der Lanze, die von den US-Truppen in Nürnburg gefunden wurde, habe es sich nämlich nur um eine Kopie der echten Waffe gehandelt.

Schon während des Dritten Reichs sei ein Orden der 'Ritter der Heiligen Lanze' gegründet worden. Der SS-Führer Reinhard Heydrich sei zusammen mit Karl Haushofer der einzige gewesen, der die magische Macht des Speers richtig zu gebrauchen verstand. [...]

Haushofer war einer der Begründer der Wissenschaft von der Geopolitik. Ihm kam als Eingeweihter der Thule eine entscheidende Schlüsselrolle im Dritten Reich zu." 18

Dies mag vorerst genügen, um dem Leser einen Einblick in Gedankengänge zu vermitteln, die heute viele Menschen beschäftigen, die nach Erklärungen der Hintergründe des politischen Geschehens in unserem sich dem Ende zuneigenden Jahrhundert suchen. Der Wahrheitsgehalt dieser Legenden ist aus der bestehenden Literatur heraus nicht zu ergründen. Etwas Erfundenes, wie die Geschichte von Ravenscroft, wird zitiert, beim zweiten Mal schon mit wissenschaftlichem Charakter versehen und munter weitererzählt. Damit wird quasi eine neue Bewußtseins-Wirklichkeit geschaffen. Von dieser geht eine Wirkung aus, auch wenn sie nicht auf äußeren historischen Tatsachen beruht.

 

Heinrich Himmler und die Schwarze Sonne

Im nachfolgenden wollen wir uns auf historisch gesichertes Material stützen und einmal sehen, ob dann noch Fragen übrigbleiben, die es zu klären gilt. Wenden wir uns der Gestalt des Reichsführers der SS, Heinrich Himmler, zu. Um ihn ranken sich viele Legenden. Und selbst in historischen Standardwerken stößt man auf manche Absonderlichkeiten.

In dem Band "Der Führerstaat" von Norbert Frei aus der dtv-tb-Reihe "Deutsche Geschichte der neuesten Zeit" finden sich einige Briefe Himmlers, die nicht so recht in das Bild passen, das man sich heute im allgemeinen von ihm macht.

Ende März 1944, als das Kriegsglück die Reichswehr bereits verlassen hatte, fand Himmler erstaunlicherweise noch genügend Zeit, einen Brief folgenden Inhalts an den SS-Oberführer Prof. Dr. Walter Wüst zu schreiben:

 

"An: SS-Oberführer Prof. Dr. Walter Wüst 31.03.1944

Kurator des 'Ahnenerbe e.V.'

Bei der künftigen Wettererforschung, die wir ja nach dem Krieg systematisch durch die Organisation ungezählter Einzelbeobachtungen aufbauen wollen, bitte ich, auf folgende Tatsachen das Augenmerk zu richten:

Die Wurzeln bzw. die Zwiebel der Herbstzeitlose sind in den verschiedenen Jahren in unterschiedlicher Tiefe im Boden. Je tiefer sie wachsen, desto stärker der Winter; je näher sie der Oberfläche sind, umso milder der Winter.

Auf diese Tatsache machte mich der Führer aufmerksam.

H. Himmler." 19

Im März 1938 schrieb Himmler an den gleichen Empfänger:

"An: SS-Sturmbannführer Prof. Dr. Walter Wüst 28.03.1938

Präsident des 'Ahnenerbe e.V.'

Lieber Professor Wüst!

Ich möchte heute auf die Kalenderkunde zurückkommen, über die ich Ihnen schon einmal schrieb.

Vor allem wäre zu klären, ob es zweierlei Rechnungen bezüglich der Jahreseinteilung gegeben hat, und zwar 13 Monate nach den natürlichen Mondmonaten von 28 Tagen und später dann 12 Monate willkürlich festgesetzter Art.

Seit wann gibt es die verschiedenen Zeitrechnungen? Hier müßte die Welteislehre mit herangezogen werden, denn die Mondmonate zu 28 Tagen kann es ja erst geben, seitdem dieser Mond um die Erde kreist.

In diesem Zusammenhang werden sicher noch eine Menge anderer Fragen auftauchen.

Heil Hitler!

Ihr H.H." 20

"... seitdem dieser Mond um die Erde kreist." – Aus welchem Weltbild heraus handelte Himmler? Womit beschäftigte er sich, wenn er sich nicht gerade seinen einschlägig bekannten Unternehmungen widmete? Es ist erstaunlich, wie wenig differenziert wir die Nazi-Führer in der Literatur in bezug auf ihre Weltanschauung beschrieben finden. Die Tatsache, daß es ausgesprochen große weltanschauliche Differenzen innerhalb der damaligen nationalsozialistischen Führung gegeben hat, ist bis heute wenig bekannt. An anderer Stelle habe ich auf die unterschiedliche Haltung von Hermann Göring und Heinrich Himmler im Hinblick auf die chemische Düngemittel-Industrie und die Anwendung von Stickstoff in der Landwirtschaft hingewiesen. Himmler setzte sich für Versuchsreihen ein, in denen die biologisch-dynamische Anbaumethode getestet werden sollte. 21

Bevor ich nun zu einigen Äußerungen Himmlers über seine Weltanschauung komme, möchte ich eine längere Zusammenfassung von Himmlers "okkultistischen" Aktivitäten zitieren, die sich in dem lesenswerten Buch von Heinz Höhne, "Der Orden unter dem Totenkopf – Die Geschichte der SS", findet. Für eine rein historische Abhandlung über die SS findet sich hier doch einiges Bemerkenswerte, deshalb sei dieses längere Zitat gestattet. Wir lesen bei Höhne:

"Geschichtsromantiker Himmler wußte aus seinen Sagenbüchern, daß der Keltenkönig Artus (500 nach Christus) die zwölf tapfersten und edelsten Ritter um eine runde Tafel versammelt und mit ihnen zusammen Glaube und Freiheit der Kelten gegen die eindringenden Angelsachsen verteidigt hatte. Hier konnte man auch für die SS lernen. Die König-Artus-Sage muß den SS-Chef beeindruckt haben, denn er duldete an seiner Tafel stets nur zwölf Gäste. Und wie einst Artus die tapfersten Zwölf ausgewählt hatte, so bestimmte nun König Heinrich die zwölf besten Obergruppenführer zu oberen Hierarchien seines Ordens. [...]

Der SS-Chef fand in Haus Wewelsburg ein Walhall, in dem er seine Artustafel aufstellen und den Wappen seiner Ritter eine würdige Kulisse geben konnte. In Himmlers Gralsburg saßen die Auserwählten in einem 35 Meter langen, 15 Meter breiten Speisesaal, rund um des Reichsführers eichenhölzerne Tafel, jeder in einem schweinsledernen Ohrensessel mit einem silbernen Plättchen, das den Namen des jeweiligen SS-Ritters preisgab. Sie trafen sich zu regelmäßigen Meditationen und Konferenzen, die sich kaum von Spiritistenzusammenkünften unterschieden. Jeder der Auserwählten besaß ein eigenes Gemach in der Burg, das jeweils in einem bestimmten historischen Stil eingerichtet und einer historischen Persönlichkeit gewidmet war.

Der Burgherr, nach dem Urteil des Rüstungsministers Albert Speer 'halb Schulmeister, halb verschrobener Narr', hatte auch schon das Ende seiner Ritter bedacht. Unter dem Speisesaal lag ein Kellergewölbe aus farbigem Naturstein, das durch 1,80 Meter dicke Mauern von der Außenwelt getrennt war. Dort verbarg sich das Allerheiligste des Ordens: die Kultstätte, das Reich der Toten.

In der Mitte des Bodens öffnete sich eine brunnenartige Vertiefung, in die zwei Stufen hinabführten. Eine steinerne Schale bildete das Zentrum, und um die Wand des Kellers zogen sich zwölf steinerne Sockel. In der Schale sollten die Wappen toter Obergruppenführer verbrannt, Urnen mit der Wappenasche auf einem der Sockel postiert werden. Die Entlüftung durch vier faustgroße Löcher in der Kellerdecke war so konstruiert, daß sich während der Verbrennungszeremonie der Rauch wie eine Säule im Raum hielt.

Hier, in Haus Wewelsburg, wollte Himmler mit seinen Obergruppenführern das ideologische Rüstzeug des Ordens schmieden. Der Schauplatz eignete sich ideal dazu: Die Wewelsburg war die einzige Höhenfeste Westfalens unweit von Paderborn, genannt nach einem ihrer frühesten Besitzer, dem Raubritter Wewel von Büren. Die Burg, früher Zufluchtsstätte der Paderborner Bischöfe, lag (und liegt noch heute) auf einem vorspringenden Bergrücken hoch über dem kleinen Fluß Alme bei dem Dorf Wewelsburg. Ursprünglich in der Hunnenzeit als sächsische Wallburg angelegt, erhob sich die im 17. Jahrhundert umgebaute Wewelsburg in wuchtiger Dreiecksform groß und grau über der Landschaft, ganz dazu prädestiniert, den mehr in der Vergangenheit als in der Gegenwart weilenden Schwarmgeist Himmler in ihren Bann zu schlagen.

Die Legende will, Himmler habe einmal von der Prophetie gehört, den nächsten Sturm aus dem Osten werde nur eine Burg in Westfalen überstehen, und daraufhin das Land nach der Feste absuchen lassen, bis er auf die Wewelsburg gestoßen sei. Die Wirklichkeit ist prosaischer: Der Landrat des Kreises Büren, zu dessen Aufgaben auch die Instandhaltung der Burg gehörte, war froh, dem burgennärrischen SS-Chef das Gemäuer abtreten zu dürfen. Am 27. Juli 1934 ging die Wewelsburg gegen einen jährlichen Pachtzins in Höhe von einer Reichsmark in den Besitz der SS über, und kurz darauf informierte Himmler den Reichswirtschaftsminister Schmitt: 'Ich beabsichtige, die Wewelsburg ... als Reichsführerschule der SS auszubauen und beantrage den höchstzulässigen Reichszuschuß zu den Ausbaukosten.'

Der Romantiker Himmler hatte seine Marienburg gefunden, denn wie er in der SS einen zweiten Deutschen Ritterorden sah, so plante er auch die Wewelsburg als geistiges Zentrum, als Stätte der Inspiration des neuen Ordens, analog der Marienburg in Westpreußen, in der einst die Hochmeister der Deutschritter die Herrschaft über die Slawen konzipiert und ihre berühmtesten Toten unter dem Chor der Schloßkirche begraben hatten.

Himmler schuf in seinem Persönlichen Stab ein 'Amt Wewelsburg' unter Standartenführer Siegfried Taubert, der 1937 auch Burgkommandant wurde. SS-Architekt Hermann Bartels arbeitete die Umbaupläne aus, um auf seine Art zu verwirklichen, was der Jesuit Johann Horrion schon zu Anfang des 17. Jahrhunderts so besungen hatte:

 

Nun hebt Wewelsburg,

auf gediegenem Felsen sich türmend,

hoch zu den Wolken der Luft

kühn das erhabene Haupt.

Einst von den Hunnen (wenn Glauben

du schenkst der Sage) gegründet,

hat nach verschiedenen Herrn

Dich sie zum Herrscher erwählt,

jetzo ein Haus, Dein würdig ...

 

Ein Kommando des Freiwilligen Arbeitsdienstes und ein Stab von SS-Experten legten die Grundlagen der Himmler-Burg. Über dem Speisesaal im Südflügel des Festungsdreiecks wurden die Privatgemächer des Reichsführers eingerichtet, zu denen auch ein Saal für seine umfangreiche Waffensammlung und ein weiterer für eine schließlich 12.000 Bände umfassende Bibliothek gehörten. Daneben entstanden ein Sitzungssaal und ein Gerichtssaal für das oberste SS-Gericht. Im gleichen Trakt lagen Gästezimmer für Hitler, der freilich in der Wewelsburg nie erschien – Grund genug für das im Dorf verbreitete Gerücht, in der Wewelsburg solle dereinst Adolf Hitler begraben werden.

Das Herumgeistern Himmlers in einer Burg, die ihn bis Kriegsende 13 Millionen Reichsmark kostete, war mehr als ein historischer Mummenschanz. Ihn dünkte, die Historie oder das, was der SS-Chef dafür hielt, könne zu einer ideologischen Klammer, zu einem weltanschaulichen Motor der Schutzstaffel werden. Die Wewelsburg war nicht das einzige Gemäuer, das Himmler mit der SS verband. 'Es ist mein Ziel', so erklärte Himmler 1937, 'daß möglichst im Bereich jeder Standarte ein solcher kultureller Mittelpunkt deutscher Größe und deutscher Vergangenheit gezeigt werden kann, daß er wieder in Ordnung gebracht und in einen Zustand versetzt wird, der eines Kulturvolkes würdig ist.'

1936 gründete er eine 'Gesellschaft zur Förderung und Pflege Deutscher Kulturdenkmäler e.V.', die historische Bauwerke betreute, freilich nur Dokumente aus Perioden, die dem Herzen der SS-Ideologen nahestanden: aus der germanischen Vorzeit, der heidnischen Ära des frühen Mittelalters und der Epoche deutsch-kolonialer Ostmission unter dem Deutschen Ritterorden. Himmlers Denkmäler-Verein pflegte bewußt, was in das antichristliche und antislawische Weltbild der SS paßte, so alte Burgen des Deutschen Ritterordens oder den Sachsenhain bei Verden an der Aller, Erinnerungsstätte für die im Jahr 782 von Karl dem Großen (Himmler: 'Karl dem Franken') hingerichteten 4.500 heidnischen Sachsen.

Dazu Himmler: 'Diese Dinge interessieren uns, weil sie im weltanschaulichen und politischen Kampf von größter Wichtigkeit sind.' Geschichtsromantik, Germanen- und Heidentum als Integrationsfaktoren der aus allen Gesellschaftsschichten rekrutierten SS – das war der Sinn dieser und auch anderer Stiftungen Himmlers. Unter ihnen nahm die König-Heinrich-I.-Gedächtnis-Stiftung den wichtigsten Platz ein, denn an dem deutschen, aus sächsischer Dynastie stammenden König und Slawenbezwinger Heinrich I. (876 bis 936) hing der Polenfeind Himmler in schwärmerischer Verzückung.

Am tausendsten Todestag des Königs, dem 2. Juli 1936, schwor der lebende dem toten Heinrich in dessen (damals leerer) Gruft im Quedlinburger Dom, die Ostmission des Sachsen fortzusetzen und zu vollenden. Ein Jahr später ließ er die Gebeine Heinrichs I. in feierlicher Prozession in den Dom überführen. Heinrichs Gruft sollte laut Himmler 'eine Weihestätte sein, zu der wir Deutschen wallfahren, um König Heinrichs zu gedenken'. An jedem Todestag des Königs machte sich der Reichsführer auf, mit dem anderen Heinrich stille Zwiesprache zu pflegen – in der kalten Krypta des Doms pünktlich zur Zeit, wenn die zwölf dröhnenden Glockenschläge die Mitternachtsstunde verkündeten.

Himmler nahm jede Gelegenheit wahr, mit dem hehren Toten in Kontakt zu treten. Er maß sich die Fähigkeit zu, Geister zu beschwören und mit ihnen regelmäßig zusammenzukommen; allerdings, so vertraute er seinem Intimus Kersten an, kämen nur die Geister von Menschen in Frage, die schon hundert Jahre tot seien. Wenn er im Halbschlaf liege, berichtete Himmler, erscheine ihm der Geist König Heinrichs und erteile ihm wertvolle Ratschläge. Oft begann Himmler mit der Redensart: 'König Heinrich hätte in diesem Falle folgendes getan.' Er beschäftigte sich mit seinem Helden so lebhaft, daß er sich allmählich für eine Reinkarnation des Königs hielt." 22

 

Heinrich Himmlers private Weltanschauung?

Ich hoffe nicht, daß bei Ihnen der Eindruck entsteht, ich wollte mit dieser Arbeit den Anschein erwecken, die Auffassung der SS als esoterischer Orden sei berechtigt. Es soll hier nur darum gehen, Material zusammenzutragen, das ermöglicht, die angeblich okkulte Seite des Nationalsozialismus überhaupt einmal ins Blickfeld zu bekommen.

Es ist auf jeden Fall deutlich, daß Himmler sowohl öffentlich als auch vor Mitgliedern der SS nur in Andeutungen verblieb, was seine eigenen weltanschaulichen oder religiösen Absichten betraf, die er mit dem "Wesen und der Aufgabe der SS" verband.

So führte Himmler auf dem Nationalpolitischen Lehrgang der Wehrmacht vom Januar 1937 in seinem Vortrag "Über Wesen und Aufgabe der SS" unter anderem aus:

"Ich bin überzeugt von der Weltanschauung, daß letzten Endes in der Welt nur das gute Blut, auf die Dauer gesehen, die beste Leistung hervorbringt. Von dieser Überzeugung getragen bin ich auch an diese Aufgabe herangegangen. Danach mußte es richtig sein, daß wirklich nur das gute Blut nach unserer Kenntnis der Geschichte als das führende, schöpferische und jeden Staat, vor allem jede soldatische Betätigung tragende Blut anzusehen ist, und zwar das nordische Blut. Ich sagte mir: Wenn es mir glückt, in einer Organisation möglichst viele Menschen, die zu einem namhaften Teil Träger dieses erwünschten Blutes sind, aus dem deutschen Volke zu erfassen und unter soldatischen Gehorsam zu bringen, sie allmählich mit dieser Erkenntnis vom Wert des Blutes und von der ganzen Weltanschauung, die daraus entspringt, zu erfüllen, dann müßte es möglich sein, tatsächlich eine Ausleseorganisation zu schaffen, die jeder Belastung standhält." 23

Diese "Weltanschauung" Himmlers ist bekannt und immer wieder von Historikern dargestellt worden. Als Gegner sah er den "jüdisch-freimaurerisch-bolschewistischen Einfluß":

"Wir müssen uns daher stets die Frage stellen: Wer kommt oder käme im Falle eines Krieges als Gegner in Frage, wer ist weltanschaulicher Gegner, also wer steht unter jüdisch-freimaurerisch-bolschewistischem Einfluß? Dabei müssen wir uns darüber klar sein: Der Bolschewismus ist die Organisation des Untermenschen, ist die absolute Untermauerung der Judenherrschaft, ist das genaue Gegenteil von all dem, was einem arischen Volke lieb, wert und teuer ist. Es ist eine diabolische Lehre, denn sie wendet sich an die gemeinsten und niedrigsten Instinkte der Menschheit und macht daraus eine Religion. Man täusche sich auch darüber nicht: Der Bolschewismus mit seinem im Kreml aufgebahrten Lenin braucht nur noch ein paar Jahrzehnte, dann ist er die diabolische Religion der Zerstörung, in Asien beheimatet, Religion für die Zerstörung der ganzen Welt. Man bedenke ferner, daß dieser Bolschewismus planmäßig an der Bolschewisierung anderer Völker arbeitet, und zwar richtet sich diese Zerstörung gegen den weißen Menschen." 24

Himmler sieht das deutsche Volk, und im besonderen seine Eliteorganisation, die SS, als Kämpfer gegen die "diabolische Lehre" des Bolschewismus, nach seiner Auffassung die "Organisation des Untermenschen". Diesen "Untermenschen" sich anzuschauen, empfiehlt er als instruktiv: jeder sollte einmal ein Konzentrationslager besuchen, um sich dort einmal "eine Unmenge rassisch minderwerten Zeugs" anzusehen:

Es wäre "... für jeden einzelnen – einigen wenigen Herrn der Wehrmacht habe ich es schon ermöglichen können – unerhört instruktiv, so ein Konzentrationslager einmal anzusehen. Wenn Sie das gesehen haben, sind Sie davon überzeugt: Von denen sitzt keiner zu Unrecht; es ist der Abhub von Verbrechertum, von Mißratenen. Es gibt keine lebendigere Demonstration für die Erb- und Rassegesetze ... als so ein Konzentrationslager. Da sind Leute mit Wasserköpfen, Schielende, Verwachsene, Halbjuden, eine Unmenge rassisch minderwertigen Zeugs. Das ist da alles beisammen. Wir unterscheiden bei den Insassen selbstverständlich zwischen denen, die wir ein paar Monate hineintun, tatsächlich zur Erziehung, und denen, die wir lange drin lassen müssen. Die Erziehung geschieht im ganzen nur durch Ordnung, niemals durch irgendeinen weltanschaulichen Unterricht, denn die Häftlinge sind in den meisten Fällen Sklavenseelen; nur wenige Leute mit wirklichem Charakter sind darunter. Diese Sklavenseelen würden alles vortäuschen, was man von ihnen verlangt, alles nachplappern, was im 'Völkischen Beobachter' steht, und in Wirklichkeit bleiben sie dieselben. Die Erziehung erfolgt also durch Ordnung. Diese Ordnung beginnt damit, daß die Leute in sauberen Baracken leben. So etwas bringen an und für sich nur wir Deutsche fertig, kaum ein anderes Volk wäre so human. Die Wäsche wird öfters gewechselt. Die Leute werden daran gewöhnt, daß sie sich zweimal täglich zu waschen haben, werden mit dem Gebrauch einer Zahnbürste vertraut gemacht, die die meisten noch gar nicht kannten." 25

Heinrich Himmler beschließt diese Rede vor Wehrmachtsangehörigen mit den folgenden Worten:

"Die nächsten Jahrzehnte bedeuten nicht etwa irgendeine Auseinandersetzung außenpolitischer Art, die Deutschland bestehen kann oder nicht bestehen kann, sondern sie bedeuten den Vernichtungskampf der genannten untermenschlichen Gegner in der gesamten Welt gegen Deutschland als das Kernvolk der nordischen Rasse, gegen Deutschland als das Kernvolk des germanischen Volkes, gegen Deutschland als Kulturträger der Menschheit, sie bedeuten das Sein oder Nichtsein des weißen Menschen, dessen führendes Volk wir sind. Wir haben allerdings eine Überzeugung: Wir haben das Glück, daß wir gerade in der Zeit leben, wo in 2000 Jahren einmal ein Adolf Hitler geboren worden ist, und wir haben die Überzeugung, daß wir jede Gefahr in guten und in schlechten Zeiten bestehen werden, weil wir alle zusammenhalten und weil jeder in dieser Überzeugung an seine Arbeit herangeht." 26

Ich habe diese Zitate gebracht, weil sie deutlich machen, daß durchaus ein Zusammenhang gesehen werden kann zwischen den historisch bekannten Tatsachen und den Aussagen Himmlers, die seine Weltanschauung deutlich machen. Es kann hier durchaus eine Brücke geschlagen werden. Es ist nicht so, wie es häufig behauptet wird, daß Himmlers offizielle Tätigkeit und seine private Weltanschauung nichts miteinander zu tun hätten. Eine Verdeutlichung dieser "Brücke" ergibt sich, wenn wir eine andere Publikation Himmlers heranziehen.

 

Die "göttliche Ordnung" und das "germanische Recht" – Leitbilder des SS-Mannes

Über das Leitbild der SS schrieb Heinrich Himmler in seiner Schrift "Die Schutzstaffel als antibolschewistische Kampforganisation". Er verwahrt sich hier gegen den Vorwurf, der Nationalsozialismus, insbesondere die SS, sei eine atheistische Organisation. Wir lesen:

" Germanisches Recht.

Das alte germanische Recht verhinderte, daß irgendein Einzelner, Unberufener, irgend etwas in der für alle Menschen heiligen, von Gott geschaffenen Natur zerstörte. Bis in verhältnismäßig späte Zeiten war es in germanischen Siedlungsgebieten verboten, im Bereich eines Dorfes eine Eiche zu fällen, wenn nicht die Zustimmung der übrigen Bauern des Dorfes dazu vorhanden war. Durfte sie gefällt werden, so war die Verpflichtung, drei junge dafür zu pflanzen, daran gebunden.

Die göttliche Ordnung.

In dieses Rechtsbild gehört die heilige Überzeugung unserer Vorfahren, daß alles, was es an Leben auf dieser Erde gab und gibt, von Gott geschaffen und von Gott beseelt sei. Törichte, böswillige und dumme Leute haben daraus die Fabel, das Greuelmärchen gemacht, als hätten unsere Vorfahren Götter und Bäume angebetet. Nein, sie waren nach uraltem Wissen und uralter Lehre von der göttlichen Ordnung dieser ganzen Erde, der ganzen Pflanzen- und der ganzen Tierwelt überzeugt." Und weiter:

"Zum ersten. In einem Büchlein, das '50 Fragen und Antworten für den SS-Mann' überschrieben ist, steht als erste Frage: 'Wie lautet dein Eid?'

Die Antwort ist: 'Wir schwören dir, Adolf Hitler, als Führer und Kanzler des Deutschen Reiches Treue und Tapferkeit. Wir geloben dir und den von dir bestimmten Vorgesetzten Gehorsam bis in den Tod. So wahr uns Gott helfe!'

Die zweite Frage lautet: 'Also glaubst Du an einen Gott?'

Die Antwort lautet: 'Ja, ich glaube an einen Herrgott.'

Die dritte Frage lautet: 'Was hältst Du von einem Menschen, der an keinen Gott glaubt?'

Die Antwort lautet: 'Ich halte ihn für überheblich, größenwahnsinnig und dumm; er ist nicht für uns geeignet.'

Ich habe Ihnen diese drei Fragen und Antworten mitgeteilt, um damit eindeutig unsere Stellung zur Religion darzutun. Seien Sie überzeugt, wir wären nicht fähig, dieses zusammengeschworene Korps zu sein, wenn wir nicht die Überzeugung und den Glauben an einen Herrgott hätten, der über uns steht, der uns und unser Vaterland, unser Volk und diese Erde geschaffen und uns unseren Führer geschickt hat.

Wir sind heilig davon überzeugt, daß wir nach den ewigen Gesetzen dieser Welt für jede Tat, für jedes Wort und für jeden Gedanken einzustehen haben, daß alles, was unser Geist ersinnt, was unsere Zunge spricht und was unsere Hand vollführt, mit dem Geschehen nicht abgetan ist, sondern Ursache ist, die ihre Wirkung haben wird, die im unentwegten, unentrinnbaren Kreislauf zum Segen oder Unsegen auf uns selbst und auf unser Volk zurückfällt. Glauben Sie, Menschen mit dieser Überzeugung sind alles andere als Atheisten. Wir verbitten uns aber, deswegen, weil wir uns als Gemeinschaft nicht für diese oder jene Konfession, nicht für irgendein Dogma festlegen, oder auch nur von irgendeinem unserer Männer dieses verlangen, unter Mißbrauch des Wortes Heide als Atheisten verschrien zu werden." 27

Und er beschließt diese Ausführungen mit den folgenden Worten:

"So sind wir angetreten und marschieren nach unabänderlichen Gesetzen als ein nationalsozialistischer, soldatischer Orden nordisch bestimmter Männer und als eine geschworene Gemeinschaft ihrer Sippen den Weg in eine ferne Zukunft." 28

 

Julius Evolas Orden

Schon der heute als "Vertreter des magischen Idealismus" 29 bezeichnete italienische Schriftsteller und Esoteriker Julius Evola, dessen Bücher auch heute noch eine weite Verbreitung haben, hatte die Idee des Ordens im Himmlerschen Sinne vertreten. In seinem Buch "Grundrisse der faschistischen Rassenlehre", das eine Begründung oder besser eine Verherrlichung dieser Lehre war, führte er aus:

"Unter Berücksichtigung dessen, was über die Beziehungen zwischen Rasse und Recht erörtert wurde, wäre als weitere, für das Aufbauwerk besonders günstige Bedingung der politische Einsatz einer solchen Elite zu betrachten, nicht so sehr in Form einer 'führenden Klasse' ... als vielmehr eines Ordens im Sinne der alten asketisch-kriegerischen Bünde. Das 'klassische' Ideal erheischt als höchste Verwirklichung ein Führertum, in dem der Adel und die Reinheit der Rasse nicht geringer seien als ihre geistige Eignung und Autorität. Der alte Ordensgedanke steht gewiß höher, als der moderne der 'Partei': Er entspricht einer Elite und einem freiwillligen, vereidigten Bund, der auch den Begriff einer gewissen physischen Vollkommenheit voraussetzt und sowohl 'asketische' wie kämpferische Züge hatte." 30

Julius Evola, der heute von manchen spirituell gesinnten Kreisen wieder hoch geschätzt wird, gab in den Jahren von 1927–1929 drei Bände der okkulten Zeitschrift Ur heraus. Außerdem verfaßte er unter anderem ein Buch mit dem Titel "Das Mysterium des Grals" (1955). Heute wird sein faschistischer Hintergrund häufig nicht zur Kenntnis genommen.

 

Das Glaubensbekenntnis des Schwarzen Ordens

Im Glaubensbekenntnis der SS kamen drei zentrale Punkte zum Ausdruck. Der eine war der Glaube an Gott, oder – wie er in der SS genannt wurde – der "Uralte" oder "Altvater". 31 Zweitens war es der Glaube an "Deutschland" und drittens der Glaube "... an den Führer Adolf Hitler, den Er uns gesandt hat." 32

In dem Buch von Felix Kersten, "Totenkopf und Treue", können wir Himmlers Bemerkung folgenden Inhalts lesen:

"Er [Hitler] ist dazu von dem Karma des Germanentums der Welt vorbestimmt, den Kampf gegen den Osten zu führen und das Germanentum der Welt zu retten, eine der ganz großen Lichtgestalten hat in ihm ihre Inkarnation gefunden ..., zu der nach Jahrhunderten die Menschen ebenso gläubig aufschauen würden, wie sie es zu Christus getan hätten." 33

John M. Steiner schreibt über Himmlers spirituelle Vorstellungen:

"Himmler glaubte von sich selbst, die Reinkarnation von Heinrich dem Löwen (1129–1195) zu sein, und fühlte sich in gehobener Stimmung, wenn SS-Männer von ihm als 'König Heinrich' oder 'der schwarze Herzog' sprachen. Die Bhagavad-Gita, die Edda, Veda, Rig-Veda, die Reden Buddhas, die Visudi-Magga, das Buch der Reinheit und verschiedene astrologische Schriften wurden von ihm gelesen und hoch geschätzt. Im Gegensatz zu seiner früheren bürgerlich-katholischen Anschauung entwickelte sich Himmler zu einem Anhänger des indogermanischen Glaubens und wurde zum Verfechter der Inkarnationsidee und des Karmas." 34

Himmler selbst äußerte sich wie folgt:

"Die Indogermanen glauben an die Wiedergeburt. Mit einem Leben ist das Leben nicht zu Ende. Was der Mensch an guten, aber auch an schlechten Taten auf dieser Erde vollbracht hat, wirkt sich im nächsten Leben als sein Karma aus, das für ihn wiederum nicht sein unerbittliches Schicksal ist, sondern mit dem er fertig werden und es wenden kann. Es entspricht germanischem Denken, nicht der Gnade ausgeliefert zu sein, sondern zu wissen, was du hier getan hast, wird für dich oder gegen dich zeugen, du entrinnst nicht. Du hast aber die Möglichkeit, durch deine eigene Kraft in einem neuen Leben das Schicksal zu wenden." 35

John M. Steiner kommentiert diese Aussage Himmlers folgendermaßen:

"Diese Überzeugung hielt ihn jedoch nicht davon ab, neben anderen Religionsgemeinschaften auch die Theosophen und Anthroposophen, deren Überzeugung in mancher Hinsicht nicht allzu verschieden war von derjenigen, zu der er sich jetzt bekannte, zu verfolgen." 36

Heinrich Himmler über seine Pläne spiritueller Organisationen: "Ich bewundere die Weisheit der indischen Religionsstifter, die von ihren Königen und höchsten Würdenträgern verlangten, daß sie sich jedes Jahr für zwei bis drei Monate zur Meditation in ein Kloster zurückzogen. Solche Einrichtungen werden wir später auch schaffen." 37

Adolf Hitler wird folgende Aussage zugeschrieben:

"In meinen Ordensburgen wird eine Jugend heranwachsen, vor der sich die Welt erschrecken wird. Eine gewalttätige, herrische, unerschrockene, grausame Jugend will ich. [...] Es darf nichts Schwaches, Zärtliches an ihr sein. [...] In meinen Ordensburgen wird der schöne, sich selbst gebietende Gottmensch als kultisches Bild stehen und die Jugend auf die kommende Stufe männlicher Reife vorbereiten." 38

Diese Aussage Hitlers berührt allerdings schon den Randbereich der Authentizität. Sie stammt aus dem Buch von Hermann Rauschning, "Gespräche mit Hitler", einem Werk, das Gespräche enthält, die vom Verfasser stets nachträglich festgehalten wurden, also sicher nicht wörtlich genau wiedergegeben sind. Louis Pauwels und Jacques Bergier stützen sich in der betreffenden Passage ihres Buches "Aufbruch ins dritte Jahrtausend" 39 auf Rauschning. Diese Stütze gilt inzwischen als fragwürdig. Viele der Notizen Rauschnings sind von Interesse, dennoch möchte ich hier darauf verzichten, darauf einzugehen. Der Leser mag, sofern er will, das Buch lesen.

Über die religiösen Vorstellungen, die Himmler in der SS verwirklichen wollte, schrieb Himmler im April 1945 an einen Freund:

"Ich weiß, ... daß ich allgemein als unbesonnener Heide betrachtet werde, aber im Grunde meines Herzens bin ich ein Gläubiger. Im Laufe der letzten Jahre habe ich wieder an Wunder zu glauben gelernt." 40

Zu Kersten sagte er:

"Wenn ich von meinen SS-Männern verlange, daß sie gottgläubig sein müssen, ist das nicht, wie mir dies oft ausgelegt wird, eine Tarnung oder eine Konzession, sondern es ist mir damit sehr ernst. Menschen, die kein höheres Wesen oder eine Vorsehung – oder wie sie das sonst nennen wollen – anerkennen, möchte ich nicht in meiner Umgebung haben." 41

Im Schulungsmaterial der SS kam unmißverständlich zum Ausdruck, wie von jenen, die nicht an Gott glaubten, gedacht wurde: "... die Schutzstaffel hält jene für eingebildet, größenwahnsinnig und dumm ..." 42

Zusammenfassend hält Steiner fest:

"Der nationalsozialistische Gott war ein anderer als jener der christlichen Lehre. Er war nicht der Gott der Liebe und der Barmherzigkeit, zu dem der Starke und der Schwache gleichermaßen aufsahen. Der nationalsozialistische Gott war parteiisch, hart und grausam. Man glaubte, daß er gelegentlich in die Geschehnisse der Geschichte eingreife (Vorsehung), aber häufiger noch verstand man ihn als einen Gott, der im Verborgenen wirkte. In dunkler Vergangenheit, so glaubte man, hatte er gewisse Gesetze und Prinzipien aufgestellt, die den 'richtigen' Ablauf der Geschichte sicherstellten. Der Kampf ums Überleben wurde als das Fundamentalste aller ewigen Gesetze angesehen." 43

"Die christliche Moral vom Mitleid sollte durch ein Bekenntnis zum Heros, zum Glauben an den Naturgott, den Gott der eigenen Nation, des Schicksals und des Blutes ersetzt werden. Da Jesus nicht leicht in einen Arier verwandelt werden konnte, trat an die Stelle des Kreuzes das Hakenkreuz, und das heilige Blut des Erlösers wurde durch das 'reine Blut' des germanischen Stammes ersetzt. [...] Wiederum war es Wodan, dem ewig-alten Jäger, sowie Thor, dem Gott des Donners, ... vergönnt, aus der Vergangenheit emporzusteigen ..." 44

Es ist anzunehmen, daß Himmler sein Programm der Vernichtung sogenannten "lebensunwerten Lebens" mit der Reinkarnationslehre begründete. Möglicherweise glaubte er, auf diese Weise der Menschheit in der Zukunft geeignetere Leiber zur Inkarnation zur Verfügung stellen zu können.

 

Eine Geschichte des Heiligen Gral im 20. Jahrhundert

Einer derjenigen, die von Heinrich Himmler gefördert wurden, war der deutsche Literatur- und Geschichtswissenschaftler Otto Rahn. Dieser war in mancher Hinsicht eine sehr vielschichtige Persönlichkeit. Sein Buch "Kreuzzug gegen den Gral" (1933) 45 wird auch heute noch von vielen geschätzt. Dieses Buch hat, das sei deutlich gesagt, nur für denjenigen eine faschistische Grundtendenz, der stets, wenn das Wort "Gral" auftaucht, damit gleich einen faschistischen Inhalt assoziiert.

Wie kompliziert und tief christlich das Geschehen um den Heiligen Gral ist, braucht hier nicht erläutert zu werden. 46 Den Namen Otto Rahn finden wir auch heute noch in vielen Publikationen, auch weit außerhalb rechter Kreise. So lesen wir in der Arbeit von Karlheinz Weißmann, "Der Gral in den Pyrenäen", in der Zeitschrift Materialdienst der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen in der Ausgabe vom Februar 1993 folgende biographische Angaben über Otto Rahn:

"Otto Rahn wurde 1904 im hessischen Michelstadt geboren. Er studierte ohne rechten Erfolg einige Semester Jura, wandte sich dann aber der Literatur und der Geschichte zu. Dabei scheinen die Katharer schon früh seine besondere Aufmerksamkeit geweckt zu haben. Rahn verließ die Universität ohne Abschluß und ging Anfang der 30er Jahre nach Südfrankreich, um sich dort ganz der Erforschung der ketzerischen Lehre zu widmen. Er scheint nur mit Mühe seinen Lebensunterhalt verdient zu haben, fand aber rasch Kontakt zu neo-katharischen Kreisen. Eine besonders enge Beziehung entstand zu Magre und zu Gadal. Sein Ansatz zur Interpretation des Katharismus war nicht im eigentlichen Sinne originell. Rahn war der Auffassung, daß es neben der Exoterik auch eine Esoterik dieser Albigenser gegeben habe, in die man durch das consolamentum als Initiationsakt eingeweiht wurde. Das Geheimwissen sei zwar fast verlorengegangen, habe sich aber in verstümmelter Form und eigentlich durch einen Zufall in der Parzival-Dichtung des Wolfram von Eschenbach erhalten. Dieser berief sich nämlich auf einen Gewährsmann, Gyot von Provins, der in der Germanistik häufig als literarische Fiktion betrachtet wurde. Rahn behauptete nun, daß jener Gyot, eigentlich Guiot aus der Provence, ein vor der Inquisition geflohener katharischer Adliger und Troubadour gewesen sei. Er habe Wolfram mit der Geschichte von Parzivals Gralssuche die geheime Lehre der johanneischen 'Minnekirche' der Katharer weitergegeben, denn die Troubadoure waren – entgegen dem landläufigen Urteil – nicht Sänger der irdischen, sondern der göttlichen Liebe. Rahn glaubte auch, daß sich eine unterirdische Verbindungslinie von den Pythagoräern über die Kelten, die Sonnenverehrung der Germanen und das gnostische 'Urchristentum' bis hin zu den Templern und schließlich den Katharern ziehen lasse. Der angebliche Kontakt der seit jeher mysteriösen Ordensritter mit den Ketzern war ihm besonders wichtig. Denn so kam Rahn schließlich zu der Identifizierung des Montségur mit der Gralsburg Montsalvatsche, der Templer mit den 'Templeisen' des Fischerkönigs, und er glaubte, daß der katharische Schatz, der in der Endphase der Belagerung noch in Sicherheit gebracht wurde, der Gral, eine geheimnisvolle 'catharische Reliquie' war, die seit früher Zeit von denen weitergegeben wurde, die um den wahren Sinn der christlichen Lehre wußten, und deshalb gegen 'Jehova', den 'Demiurgen', kämpften, der eigentlich Luzifer ist.

Rahn veröffentlichte 1933 in Deutschland seine Interpretation des Katharismus unter dem Titel Kreuzzug gegen den Gral. In Frankreich erschien bereits ein Jahr später eine französische Übersetzung. Obwohl der 'Kreuzzug gegen den Gral' nur in einem Teil der neokatharischen Kreise auf Zustimmung stieß, schrieb die einflußreiche Zeitung 'Dépeche de Toulouse' nach der Veröffentlichung, daß es eine Schande sei, daß ein Ausländer die Südfranzosen auf ihre große Tradition habe hinweisen müssen. Der bis heute andauernde Erfolg dieses Buch ist nicht zuletzt auch darauf zurückzuführen, daß das weitere Lebensschicksal Rahns von einem gewissen Geheimnis umwittert scheint. Da er offensichtlich nicht von seiner Schriftstellerei existieren konnte, trat er in die SS bzw. in die von Himmler aufgebaute Wissenschaftsorganisation, das sog. 'Ahnenerbe', ein. 1936 und 1937 konnte er deshalb Forschungsreisen nach Island und Finnland unternehmen. Er hatte offensichtlich enge Kontakte zu den okkultistisch interessierten Männern im Umkreis Himmlers, vor allem zu dem SS-Brigadeführer Wiligut alias Weisthor. Rahn scheint von dessen Vorstellungen nicht unbeeinflußt geblieben zu sein. Jedenfalls läßt sich feststellen, daß sein zweites Buch, 'Luzifers Hofgesind. Eine Reise zu den guten Geistern Europas', das 1937 erschien, im Gegensatz zum 'Kreuzzug', von antisemitischen und antichristlichen Vorstellungen bestimmt wurde. Luzifer fand sich jetzt zum arischen Lichtgott umgedeutet, der der eigentliche Gegenspieler des fremden 'Jehova' gewesen sei; die Katharer interpretierte Rahn nun als Reste der Westgoten, die von 'Rom' vernichtet wurden. Obwohl das Buch nicht in der Schriftenreihe des 'Ahnenerbe' erschien, betrachtete es die Führung der SS als eine Art offizieller Darstellung, in der die europäische Ketzergeschichte als 'Vermächtnis nordischer Geistes- und Gewissensfreiheit' interpretiert wurde; man ließ Rahn entsprechende Vorträge halten, und noch 1943 wollte Himmler nicht nur eine neue Ausgabe des 'Kreuzzugs' herausbringen, sondern auch 'Luzifers Hofgesind' – angesichts der Kriegslage kaum vorstellbar – in einer zusätzlichen Auflage von 10.000 Exemplaren drucken lassen. Das ist um so überraschender, als es bereits 1938 zu einem Zerwürfnis mit Rahn gekommen war: Im März 1939 fand man seinen Leichnam erfroren am Wilden Kaiser in den Tiroler Alpen. Romantische Spekulationen wollen darin auch heute noch den Nachvollzug der endura sehen. Wahrscheinlich ist wohl ein Unfall oder ein befohlener Selbstmord, nachdem Himmler die homosexuellen Neigungen Rahns bekannt geworden waren." 47

Es ist ein bezeichnendes Beispiel für die Schicksale vieler suchender Menschen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, das hier vor uns steht. Wollen wir uns mit den Biographien dieser Menschen auseinandersetzen, so sollten wir uns des von Rudolf Steiner erwähnten geistigen Zusammenhanges der Verbindung von jüngst verstorbenen und den sich inkarnierenden Menschen zu Beginn des Jahrhunderts erinnern, den ich einleitend zitiert habe. 48 Otto Rahn war gewiß eine der hier beschriebenen Seelen.

Man sollte allerdings die Tatsache, daß Rahn sich von den Absichten Heinrich Himmlers einfangen, benutzen und sogar beeinflussen ließ (siehe sein Werk "Luzifers Hofgesind") nicht außer acht lassen. 49

Der Anthroposoph Karl Rittersbacher unterließ einen Hinweis darauf, als er ein ausführliches Vor- und Nachwort zur im Jahre 1974 erschienenen Neuauflage des "Kreuzzug gegen den Gral" verfaßte. Rittersbacher schrieb in diesem Nachwort unter anderem:

Rahn "... prüfte und sichtete sein Wissen im Quellenstudium an den Universitäten in Toulouse, Paris und Freiburg und baute die Fundamente seiner Erkenntnisse aus. Beglückend wird es für Rahn, als er mit der Fülle seiner Ergebnisse nach Deutschland zurückkehrt und in Freiburg die Persönlichkeiten des Urbanverlages findet, wo die erste Auflage 1933 erscheinen kann, wo er im 'fast täglichen Umgang jegliche Förderung' erfährt bis zur Fertigstellung des Buches. Er findet sich auf einem frühen Höhepunkt seines jungen Lebens. In einer ungewöhnlichen Arbeitsleistung war ihm das Erstlingswerk gelungen. Das Echo ermutigte ihn. Doch das im Vorwort zum wissenschaftlichen Teil angekündigte zweite Buch über 'Konrad von Marburg, den deutschen Inquisitor', das er als 'Ergänzung' abfassen wollte, kann er nicht gestalten. Lag das an ihm? Lag es in den ungünstigen Zeitverhältnissen der damaligen, besonders für einen jugendlichen Forschergeist gänzlich unguten Voraussetzungen in Deutschland? Rahn findet den Anschluß und die Gestaltungskräfte für die Katharer- und Templerströmung in Mitteleuropa nicht. [...] Das unter dem Titel 'Luzifers Hofgesinde' erscheinende Buch ist mehr belletristisch als wissenschaftlich und nur ein wenig bearbeiteter Reisebericht. Die wissenschaftliche Richtung des Strebens wird schließlich ganz abgelöst von belletristisch-journalistischer Tätigkeit. [...] Ein drittes Buch, für das viel Material vorlag, wird nicht mehr gestaltet. – In Briefen heißt es ...: 'Ich habe viel Kummer in meinem Lande. Vor 14 Tagen war ich in München. Zwei Tage später habe ich es vorgezogen, meine Berge aufzusuchen. Unmöglich für einen toleranten großzügigen Mann, wie ich es bin, in einem Land, wie es mein schönes Vaterland geworden ist, zu leben ...' Er hat eine tiefe Sehnsucht nach den Katharer- und Templerlanden in Südfrankreich. 'Jeder Besuch in Ussat müßte eine Pilgerfahrt sein ... Mein Heimweh nach dem Sabarthez ist groß.' 'Ich bin denunziert worden', sagt er in einem Gespräch. Wir sehen Otto Rahn in den Jahren 1938 und anfangs 1939 in Einsamkeit und innerer Not. Im 35. Lebensjahr, um die Tage seines Geburtstages, wo der Durchbruch eines starken neuen Persönlichkeitsbewußtseins im Lebenslauf schöpferischer Menschen erfolgt, überfällt ihn starke depressive innere Tragik. Letzte Gespräche mit den Freiburger Freunden haben schmerzlichen Charakter. Er reist nach Kufstein, läßt sein Gepäck im Gasthof in Söll und wandert in die Berge des Wilden Kaiser in den frühen Tagen des Monats März 1939. Erfroren in Kälte und Schnee wird er nach Tagen sitzend, mit friedlichem Antlitz aufgefunden. Als Todestag wird der 13. März festgestellt. Die Beisetzung erfolgte in Darmstadt." 50

Vieles im Leben von Otto Rahn bleibt im Nebel. Das Berlin Document Center konnte mir die SS-Personalakte von Otto Rahn leider nicht aushändigen. Diese könnte gewiß viel Licht in das Dunkel dieses Schicksals bringen. Veröffentlicht wurde kürzlich in einem Buch über die SS-Ordensburg Wewelsburg ein Brief Otto Rahns vom 27.09.1935 an Wiligut-Weisthor, dem damaligen Herrn der Wewelsburg, mit folgendem Inhalt:

"Streng vertraulich!

Lieber Herr Oberst,

es ist Ihnen bekannt, daß ich die letzten Wochen hindurch lediglich meinen Arbeiten lebte und eine Karthotek angelegt habe. Ich habe Ihnen weiterhin zu wissen gegeben, daß ich auf ganz große Überraschungen gestoßen bin. Da es sich um Erkenntnisse handelt, die jahrelange Arbeit meinerseits verlangt haben, war ich bislang Ihnen wie jedem gegenüber nur wenig mitteilsam. Ich möchte es vorerst auch bleiben und nur mit Ihnen über meine Funde Rücksprache nehmen. Ich bitte Sie aber, vor Erscheinen meines Buches 'Monsalvat und Golgatha', den Reichsführer SS ausgenommen, mit niemand über das zu sprechen, was ich Ihnen mündlich anvertrauen möchte.

Um meine Arbeiten zu einem erfolgreichen Ende zu führen, sehe ich mich gezwungen, einige Lokalitäten an Ort und Stelle zu prüfen. Können Sie mir die Möglichkeit verschaffen, für 10–14 Tage eine Reise in den Odenwald, den Westerwald und das Sauerland zu unternehmen, oder – das wäre mir das liebste! – hätten Sie nicht Lust mit mir und evtl. Oberscharführer Folgmann vor Einsetzen der schlechten Jahreszeit diese Reise zu unternehmen?

Zuerst müßte ich die Ruine Wildenberg bei Amorbach (vgl. Kunis: Die deutsche Gralsburg) aufsuchen. Es finden zur Zeit Ausgrabungen statt. Mit dem Ausgrabungsleiter stehe ich im Briefwechsel. Dann möchte ich die Lichtweishöhle bei Wiesbaden besichtigen. Von dort aus wäre die Sporkkenburg leicht zu erreichen (vgl. Rehorn: Westerwald, S.91: Ruine mit uralter Geschichte; der Sage nach soll Kaiser Nero hier geboren sein; sporck = krana = Wachholder). Von hier aus müßte die Fahrt gehen nach dem Drutgerestein, dem 'Steimel' (Steinmal oder Steinmahal), dem Hellenborn, dem Widderstein, den großartigen Steinanlagen der Dornburg (Thorburg), Rosphe (angeblicher Geburtsort Heinrichs von Ofterdingen), Willnsdorf (Sitz der deutschen Katharer, durch Konrad von Marburg zerstört), Wambach (von Wenen) und Asbach (Asen). (Hier wurde übrigens im Jahre 1830 eine prächtig erhaltene Goldmünze mit der griechischen Inschrift: Lysimachus Basileus – Lysimachus war Feldherr Alexanders d.Gr. gefunden). Von Asbach aus möchte ich dann Stellen aufsuchen, über die ich nur Ihnen und dem Reichsführer SS mündlich Auskunft geben würde.

Nach der Hochzeit Herrn von Lachners möchte ich fahren, da ich dann frei bin. Können Sie veranlassen, daß mir diese Reise, über die ich natürlich ausführlichen Bericht machen würde, ermöglicht wird. Oder wären Sie bereit, diese Reise mit mir zu unternehmen?

Wie ich mit Herrn von Lachner ausgemacht habe, werde ich Sie heute abend um 8 Uhr aufsuchen.

Heil Hitler!

Ihr

Otto Rahn". 51

 

"Luzifer, dem Unrecht geschah, grüßt dich"

Otto Rahn war Ende der dreißiger Jahre sehr populär. Ein Zeugnis dieser Popularität bestätigt ein Zeitungsartikel, dessen Inhalt die Besprechung eines Vortrags von Otto Rahn bildet, den dieser Anfang Januar 1938 in Dortmund hielt. Dadurch wird z.B. deutlich, wie stark Fragen nach dem Luzifer-Problem, der Freiheitssehnsucht, der Naturverbundenheit den Vortragsredner und seine Zuhörer bewegten.

"Otto Rahn las in Dortmund.

Vortragsabend im Dietrich-Eckart-Haus.

Otto Rahn, der junge Dichter und Forscher, las und sprach Freitag abend im Dietrich-Eckart-Verein vor einer außerordentlich zahlreichen und stark gefesselten Zuhörerschaft. Nach einführenden Worten des Kulturwartes des Dietrich-Eckart-Vereins, Kurt Eggers, der Rahn als Kameraden begrüßte und kurz das Luzifer-Problem, um das es Rahn geht, umriß, gestaltete Rahn mit eindringlicher und zwingender Sprache ein Luzifer-Bild, wie es erschütternder und größer nicht gedacht werden kann. Rahn las aus seinem neuesten Werk 'Luzifers Hofgesind', das von seinen Reisen und Forschungen in Südfrankreich berichtet, wo er auf den Spuren des Grals und der Albigenser, der reinen und wahren Ketzer, und von neuen Blickpunkten aus ein fruchtbares Bild dieser damals auch in Deutschland verbreiteten antirömischen Bewegung zeichnete. Der Vortrag behandelte einen schwierigen Stoff und verlangte größte Disziplin und Aufmerksamkeit; es war ein gutes Zeichen für die Gemeinschaft von Vortragendem und Zuhörern, daß kein Wort verlorenging und das Bild Luzifers, den Rahn mit den Albigensern als Lichtbringer feierte, aufs stärkste zur Wirkung kam.

Zwei Teile des Abends lassen sich deutlich unterscheiden: der erste, in dem es Rahn um einen Forschungs- und Lagebericht des Gral- und Luzifer-Problems ging – hier schienen uns die besten Formulierungen und die wirklich packendste Gestaltungskraft zu liegen –, und ein zweiter, in dem der Vortragende an Hand konkreter Beispiele die Folgerungen aus seiner neuen Schau und Lehre zog und zu einer nicht nur interessanten, sondern auch weitgehend überzeugenden Umwertung historischer Erscheinungen, Persönlichkeiten und Sachverhalte, kam. Auch die Klippe eines Nationalismus alter Prägung – eine Gefahr, die bei einer weniger echten und starken Naturbejahung und naturverbundenen Umdeutung zweifellos gegeben wäre – vermied Rahn recht gut. In echter Spannung führte er immer wieder zu den Quellen und Ursprüngen echter Freiheitssehnsucht und wahrer Naturverbundenheit zurück.

Die Albigenser sind ausgerottet. 205 führende Anhänger Luzifers wurden in Südfrankreich nach einem großen Pfaffenkreuzzug im Namen christlicher Milde von Dominikanern auf einem riesigen Scheiterhaufen verbrannt. Mit Feuer und Schwert verfolgte man die Lehre Luzifers, des Lichtbringers, und ihre Anhänger. Die Albigenser sind tot, aber ihr Geist lebt und wirkt gerade in unseren Tagen in erneuter und verjüngter Begeisterung und Hingabe. Der Stellvertreter Christi konnte zwar Menschen verbrennen; aber er irrte, wenn er glaubte, mit ihnen auch den Geist, die Hingabe und die Sehnsucht zu verbrennen. Dieser Geist wurde gestern wieder lebendig, wirksam und sichtbar vor vielen Menschen in Otto Rahn, einem Nachfahren der alten Troubadours.

So setzte Rahn dem römisch gebundenen Geiste, dem Jenseitsglauben und der Höllenfurcht eine neue Grenze, verneinte Jahwe und die jüdische Lehre und bekannte sich zu Luzifers Hofgesind, in dessen Namen auch Kurt Eggers den Abend mit dem Gruß schloß: 'Luzifer, dem Unrecht geschah, grüßt dich'.

Der Abend war innerlich und äußerlich ein gleich großer Erfolg, der für die zukünftige Arbeit des Dietrich-Eckart-Vereins einen vielversprechenden Auftakt darstellte. Das Quartett des Konservatoriums umrahmte den Abend in ganz ausgezeichneter Weise und gab der Vielheit und dem Reichtum der Gedanken die künstlerische Fassung." 52

Es sei an dieser Stelle nochmals gesagt, daß die vorliegende Arbeit sich nicht die Aufgabe stellen kann, die vielen Inhalte, deren Zusammenhang und Wahrheitsgehalt in jedem einzelnen Fall darzustellen. Es sollen lediglich bestimmte Zusammenhänge dokumentiert werden.

 

Die Welteislehre, der Mond und der Untergang von Atlantis

Die Roman-Trilogie von Wilhelm Landig, "Götzen gegen Thule" 53 , gehört zur Schlüsselliteratur, will man die Weltanschauung der "rechten Esoteriker" verstehen lernen. Die Handlung des Werkes liest sich zum Teil wie ein Groschenroman, weshalb viele wissenschaftlich gesinnte Leser ihn sicher rasch zur Seite legen werden. In die zum Teil banale Handlung sind aber Passagen eingeflochten, die dem "Kenner" die entsprechenden Stichworte vermitteln, mit denen er viele Zusammenhänge auch in anderer Literatur erst verstehen lernt. Hier wird in großen Bildern eine Weltsicht der esoterischen SS – die nach diesem Roman noch heute existiert – vermittelt, wie sie sich wohl nirgends sonst findet. Ich werde im Verlauf der Arbeit noch mehrfach darauf zurückgreifen.

Landig nennt in seiner Trilogie besonders drei große Lehrer des arischen Menschen: Rudolf John Gorsleben, Edmund Kiß und Herman Wirth. Rudolf John Gorsleben "wollte die Edda, die Veden und die Bibel 'in ihrer Essenz erschließen und entjudisieren'". 54 Sein Hauptwerk, "Die Hoch-Zeit der Menschheit" 55 , dient dieser Anschauung. Das Buch wurde 1981 wieder neu aufgelegt. Edmund Kiß war ein Vertreter der "Welteislehre" Hanns Hörbigers. In dem obengenannten Brief Heinrich Himmlers tauchte das Stichwort "Welteislehre" bereits auf. 56 In seinem Buch "Welteislehre" 57 nennt Kiß vier Grundelemente der Welteislehre:

"1. Wir wissen alle nicht, was Wahrheit ist.

2. Es stürzt Eis in die Sonnen des Alls.

3. Der Raum zwischen den Sonnensystemen und erst recht der innerhalb eines Planetensystems ist mit einem sehr dünnen Stoff angefüllt, den die Wissenschaft Äther nennt. [...] Die Planeten können ihre Bahnen ... nicht in alle Ewigkeit hinein gleichmäßig und unverändert beibehalten. Sie müssen sich näher an die Sonnen heranschrauben; und schließlich, nach Äonen? Ich darf die letzte Folgerung vorläufig dem Scharfsinn meiner jungen Leser überlassen.

4. Die Schwerkraftwirkung der Gestirne reicht nicht in unendliche Fernen, sondern sie erlischt in endlicher Ferne. Es stürzt Eis in die Sonnen des Alls." 58

Es ist nicht möglich, hier die ganze komplizierte Kosmologie der Welteislehre darzustellen. In den Jahren 1936/37 kam es innerhalb der nationalsozialistischen Bewegung zu heftigen Auseinandersetzungen über diese Weltauffassung. In neuerer Zeit brachte wiederum das Buch von Pauwels/Bergier, "Aufbruch ins dritte Jahrtausend", der Welteislehre große Aufmerksamkeit ein.

Um den Hintergrund der Äußerung Himmlers, "... seitdem dieser Mond um die Erde kreist", besser im Zusammenhang verstehen zu können, sei aus dem Werk von Kiß die entsprechende Passage über den "Mondeinfang" wiedergegeben:

"Dieser Mond, die Luna, steht uns so nahe, daß wir eigentlich über seine Natur genau Bescheid wissen müßten. Er ist nur 60 Erdradien von uns entfernt und kann mit den besten Fernrohren genau genug beobachtet werden, so daß wir wenigstens über sein Aussehen im Bilde sind. Auch der Mond zeigt uns immer nur eine Seite, das heißt, er hängt mit seinem etwas exzentrisch liegenden Massenschwerpunkt auf die Erde zu. Wenn wir nun an Venus und Mars denken, so erkennen wir gleich, daß beim System Erde-Luna die gleichen Bedingungen vorliegen müssen, wie etwa beim System Sonne-Merkur. Der Mond wurde nach Ansicht der WEL [Welteislehre] vor gar nicht so lange zurückliegender Zeit eingefangen, und zwar war Luna vordem ein selbständiger Planet, wie die anderen Planeten auch. Er kreiste in der Nähe der Erde 'außen' um die Sonne. Da er bedeutend kleiner und masseärmer als die Erde ist, so fühlte er den Weltraumwiderstand stärker und schneller als es die massige und durchschlagskräftige Erde tut; er schrumpfte in einer eng gewundenen Umlaufspirale immer näher an die Erdbahn heran und wurde eines Tages rettungslos in die Schwerenetze der Erde verstrickt. Damals war er nicht mehr imstande, sich loszureißen und seinen eigenen Weg um die Sonne weiterzuwandern, sondern er schwenkte sanft 'vorneherum' ein und läuft seit dieser Zeit in einer langgestreckten Spirale zusammen mit der Erde um die Sonne. Seine Bahn ist also gar nicht so stark verändert wie man annehmen möchte. Er umrundet die Erde doch nur scheinbar, in Wirklichkeit schraubt er sich so flach um die Erdbahn dahin, daß er selbst auf der Seite, die der Sonne zugewendet ist, konkav läuft. Er tanzt also gleichsam nur in langgestreckter Bahn mit der Erde um den gemeinsamen Schwerpunkt, das heißt, auch die Erde hat ihre Bahn ein wenig verändert. Nun darf man annehmen, daß der Mond als selbständiger Planet noch eine Rotation besaß, denn auch Luna hatte ohne Zweifel in grauer Vorzeit einmal einen oder mehrere Trabanten, die sie auf sich niederschlug. Da dies tangential erfolgte und die vorhergehenden vorlaufenden Reibungsfluten auch tangential etwa auf die Gleicherebene des Planeten Luna eingewirkt hatten, so besaß der 'Mond' ziemlich sicher eine vielleicht langfristige Umdrehungsbewegung. Mit dieser Rotation behaftet, geriet er in den Machtbereich der Erde, die nun sofort auf dem Mondozean eine rückwärtslaufende Flutwelle erzeugte, und diese Flutwelle war es, die die Lunarotation zum Einschlafen brachte. Deshalb hängt der Trabant nunmehr überwunden mit dem Schwerpunkt der Erde zu, und wir haben dadurch nicht die Möglichkeit, seine Kehrseite zu bewundern." 59

Den "Einfang" des Mondes bringt Kiß dann mit dem Untergang des alten Kontinents Atlantis wie folgt in einen Zusammenhang:

"Der Einfang selbst wurde für die Menschen zu einer großen Katastrophe, wenn auch nicht zu einer fast vernichtenden, wie es die Sintflut für weite Gebiete der Erde wurde. Das Reich Atlantis versank nach dem Bericht Platons in einer schrecklichen Nacht und einem furchtbaren Tage im Meere, im Sinne der WEL aber wurde dieses Versinken vorzugsweise durch ein Überfluten des Inselreiches hervorgerufen, weil sich die Wassermengen der Ozeane unter dem neu eingetretenen Flutzuge der Luna am Gleicher zusammenzogen. Oben im Norden sehen wir deshalb die hochliegenden Brandungshohlkehlen und Strandlinien des Ozeans der mondlosen Zeit an den Hängen der Berge hinlaufen, wie z.B. in Grönland und Norwegen." 60

Im zweiten Band von Landigs Thule-Trilogie finden wir die folgende Beschreibung von Kiß' Wirken:

Kiß "... war ein Anhänger der Welteislehre des Wieners Hanns Hörbiger. Bei seinen späteren Andenforschungen bestätigte er Hörbigers These. Und dazu kamen dann seine Forschungen auf dem archäologischen Gebiet und vor allem in Tiahuanaco. Hier fand er dann seine intuitive Schau zum Atlantisproblem ..." 61

"Dann fand Kiß plötzlich in den Bergen einen großen, aus Felsen gehauenen Kopf mit rein nordischen Zügen und dann ähnliche Köpfe in den Ruinen von Puma Punku. Dieser Steinkopf spielte eine große Rolle bei seinem intuitiven literarischen Blick durch die Nebel der Vorzeit in die Atlantismythe. Es war wie das Wegziehen eines Tuches vor Verborgenem und machte Wahrscheinliches lebendig.

Unser Freund Kiß gab dem gefundenen Kopf den Namen 'Godda Apacheta'. In seiner Atlantistrilogie erweckte er diese Gestalt zum Leben und ließ diesen Godda seine Geschichte erzählen. Er nannte ihn dann auch den Sternweisen von Aztlan, der über den Untergang der atlantischen Kolonie auf dem Tiahusinju-Hochland berichtete. Hier liegt Kiß auf den Spuren des Historikers Montesino, der bis zu der Mythe vorstieß, wonach ein Volk unter vier Anführern im nördlichen Südamerika Land nahm. In der Überlieferung heißen diese Anführer Ayar-mancotopa, Ayar-chaki, Ayar-aucca und Ayar-uyssu. 'Ayar' aber ist das sanskritische 'Ajar' oder 'Aje' und heißt hier Anführer oder Häuptling. Auch die Beinamen sind sanskritischer Herkunft und bedeuten 'Glaubender', 'Wanderer', 'Krieger' und 'Ackerbauer'. In diesen vier Namen liegt aber auch die Tradition alter Kasten, wie sie ähnlich in athenischen Stammesnamen aufscheinen. Nach dieser Landnahme wurde dann ein oberster Führer mit dem Namen Pirhua-manco gewählt. Dieser Name bedeutet 'Offenbarer des Lichts'. Damit aber wird wieder die alte arische Sendung bestätigt, derzufolge die Arier das Licht in die Welt bringen sollen. Also die alte Lichtträger-Überlieferung. Nach den Umbildungsgesetzen der Sprache wurde das Wort 'Meru' des Theopompus, der Name für Atlantis, von den Kolonisten Südamerikas zu 'Péru' oder 'Perú' umgestaltet. Dazu wäre noch zu sagen, daß Theopompus die Einwohner von Atlantis Meropen nannte, was zu Lenormants Behauptung paßt, daß das führende Menschengeschlecht aus Upa-Merou stamme. Und dies paßt wieder zum mythischen Berg Meru der Esoteriker, dem ebenfalls aus dem Sanskrit stammenden Namen. Dieser mythische Hochsitz im Norden ist der arische Mitternachtsberg, der Hochsitz von Asgard, der dem Sinai entgegensteht. Die Hebräer nennen ihn im Buche Jesaja Har-moed, den Berg der Versammlung, dessen sie nicht teilhaftig werden können, solange er von Wissenden behütet wird. Dieser Berg ist in allen Völkermythen vorhanden. Die Japaner nennen ihn Sxi-meru, die Sumer-Akkader in alter Zeit Kharsak Kurra, die Neuperser Hara berezaiti. Die Hebräer möchten ihren Berg der Versammlung auf den Berg Sion oder Zion umpolen, der jedoch nur ein künstliches Zentrum der Magier ist. Der Berg Zion führt auch den älteren Namen Gabbatha. Der Sinai ist die vordergründige Tarnung, an den die christgläubigen Hilfstruppen herangeführt werden sollen. – Es ist daher keinesfalls überraschend, daß Kiß anhand seiner Funde mit nordisch-atlantischen Merkzeichen geistig in einen vorgeschichtlich großen Raum vorstieß und Zusammenhänge zu ahnen begann, die bereits zum größten Teil der Vergessenheit anheimgefallen waren. In einem dritten Band, 'Die Singschwäne von Thule', schilderte er die Odyssee der letzten überlebenden Atlanter, die ihre Heimat nicht mehr finden konnten, nachdem ihre Andenkolonie ebenso der Katastrophe anheimfiel wie das Mutterland Atlantis. Hierbei sind die Welteislehre Hörbigers, Platos Bericht und andere wissenschaftliche Ergebnisse als auch Überlieferungen zu einem einheitlichen Ganzen zusammengefaßt worden. Als die Hauptgestalt seines Buches, Godda Apacheta, später ein Auge verliert, verlieh ihm Kiß die Züge Odins!" 62

Hier wird der antisemitische Zug der Anschauungen von Kiß besonders deutlich. Der dreibändige Roman von Landig hat sich die Aufgabe gestellt, die verschiedensten "esoterischen" Anschauungen, die eine arisch-atlantisch-germanische Weltauffassung untermauern wollen, zusammenzufassen. Neben vielem anderen muß ich es mir auch hier versagen, näher auf die Person Hörbigers, wie auch auf das Werk des "Atlantis-Forschers" Jürgen Spanuth, einzugehen, und verweise auf den Literaturteil. 63

 

Herman Wirth, "der Vater des neuen Matriarchats"

Der dritte große Lehrer des Nationalokkultismus, den uns Landig in seiner Thule-Trilogie nennt, ist Professor Herman Wirth, eigentlich: Hermann Wirth Roeper Bosch, geb. 1885 in Utrecht in den Niederlanden. An den Universitäten Utrecht, Leipzig und Basel studierte er Germanistik, Geschichte, Volkskunde und Musikwissenschaften.

Im Sommer des Jahres 1935 gründete Heinrich Himmler zusammen mit dem von ihm geförderten Herman Wirth und dem Reichsbauernführer Richard Walther Darré das SS-Amt "Ahnenerbe", das nach Gugenberger/Schweidlenka "... u.a. esoterisch und urkulturell fundierte Grundlagen zur Aufzucht der arischen SS-Elite liefern sollte". 64

In einem seiner Hauptwerke, der Schrift "Was ist deutsch?", das – unter anderem an den deutschen Universitäten – zu heftigen Kontroversen führte, lesen wir:

"Ehe, so heiße ich den Willen zu zweien das Eine zu schaffen, das mehr ist, als die es schufen – Ehrfurcht voreinander nenne ich Ehe als vor den Wollenden eines solchen Willens – Nicht nur fort sollst du dich pflanzen, sondern hinauf – Einen höheren Leib sollst du schaffen – Aber dazu mußt du mir erst selber rechtwinklig an Leib und Seele gebaut sein – Deine Ehe und dein Kind soll ein lebendiges Denkmal deines Sieges und deiner Freiheit sein – ein Mitleiden mit verhüllten Göttern.

Das ist ja der Sinn des Odalkreuzes, daß Gott darin 'verhüllt' ist, daß Gott in dem Leben verhüllt ist, daß jede neue Entstehung des Lebens ein heiliges Mysterium ist: Gott will werden.

Noch ist der Sinn des Odalkreuzes denjenigen, die es heute tragen, verhüllt. Sie ahnen nur ein fernes Geheimnis. Soll aber Deutschland wirklich auferstehen, erneuert werden, so muß es im Sinne dieses verhüllten Lebens Gottes, des Odalkreuzes, geschehen. Nur dann kann Hitlers Wort Wahrheit werden, daß sein Kampf ein Kampf um die deutsche Seele ist." 65

Wirths nationalsozialistische Matriarchatsvorstellungen lesen sich folgendermaßen:

"Und noch eins – dieser geistige Aufbruch muß auch ein Aufbruch der jüngeren weiblichen Generation werden. Das aber ist das schwierigste Problem. Jene fast zweitausend Jahre, in denen die nordische Frau in der mosaisch-christlichen Kirchenherrschaft der Bruchwelt dem Mann ideologisch, als Individuum, hörig gemacht und ihrer früheren geistig-seelischen, sozialen Funktionen in der Gemeinschaft restlos entkleidet wurde, hat ihre ursprüngliche eigene 'Kraft' weitgehendst verkümmern lassen. Das wieder Freiwerden der Frau von dieser Hörigkeit, von dem ihr als Minderwertigkeitskomplex anerzogenen Autoritätsglauben dem Manne gegenüber, ihre Selbstfindung zu eigenem Wesen, zur Wiederfunktionierung ihres tiefenpsychologischen Kraftfeldes, zur wiedererstarkenden Eigenwertigkeit, – das ist die noch offenstehende Frage. Die Frau in den heutigen Geisteswissenschaften, auch als Universitätslehrerin, ist in ihrer Unselbständigkeit nur Objekt ihrer männlichen Schule.

Diese männliche Schule der Geisteswissenschaften ist aber am Ende ihrer Gültigkeit angelangt." 66

An dieser Anschauung des kommenden Matriarchats zerbrach nun die Beziehung zu Himmler, der sich damit überhaupt nicht anfreunden konnte.

Herman Wirths Aktivitäten setzten sich nach dem Krieg fort. In dem Buch von Gugenberger/Schweidlenka finden sich dazu interessante Informationen:

"In den frühen siebziger Jahren gewann Wirth ... einigen Einfluß auf die Indianerunterstützerszene und alternative Kreise. 1979 besuchte der SPD-Vorsitzende Willy Brandt den Titularprofessor und war von dessen Sammlung prähistorischer Symbole aus aller Welt, die jenseits ihrer ideologischen Interpretation durch Wirth eine beachtenswerte Materialsammlung ist, 'beeindruckt'. Er versprach damals, Wirths Wunsch nach der Gründung eines Instituts für Urgemeinschaftskunde in Bonn bekannt zu geben. Durch das Engagement von Wirthschüler und SPD-Mitglied Roland Häke sollte Wirth ein Millionenprojekt vermittelt werden, um seine Sammlung prähistorischer Symbole in der wiederaufgebauten Zehntscheune/Lichtenberg einzurichten. Nun starteten die Jungsozialisten in Kusel eine heftige Anti-Wirth-Kampagne, und das 'linke Kollektiv der Politischen Buchhandlung Bochum' wetterte in altbewährter Weise über den 'faschistischen Dreck im alternativen Gewand'. Auch christliche Kreise legten sich quer. Der Südwestfunk drehte eine Dokumentation, die unter dem Titel 'Ahnenkult auf Staatskosten – Prof. Wirth auf der Suche nach der Urmutter' am 07.11.1980 über die Bildschirme ging. Der Spiegel (Nr.40/80) hatte bereits am 29.09.80 einen Warnruf losgelassen und die Wirth unterstützende Mainzer CDU-Landesregierung und die SPD des Landkreises Kusel attackiert. Man erinnerte sich wieder daran, daß dieser Landkreis in den dreißiger Jahren eine NSDAP-, in den sechziger Jahren eine NPD-Hochburg war. Im Februar 1981 beschloß der Kreisausschuß, das Wirthmuseum nicht zu unterstützen, womit es 'gestorben' war.

Am 16.12.1981 starb Herman Wirth." 67

Nach Gugenberger/Schweidlenka ist einer der wichtigsten Schüler Herman Wirths vor und nach dem Zweiten Weltkrieg der Pfarrer i.R. der Christengemeinschaft Werner Haverbeck. Dieser verfaßte für die Schrift des Altnazis Walter Drees mit dem Titel "Herman Wirth bewies: die arktisch-atlantische Kulturgrundlage schuf die Frau" ein Herman Wirth außerordentlich würdigendes Vorwort. 68

Das Hauptwerk Wirths, "Die Heilige Urschrift der Menschheit", in dem mit ungeheurer Akribie Runen entziffert werden, um die alte atlantische Ursprache zu entschlüsseln, erschien in 6. Auflage im Jahre 1979 im Verlag der Mutter Erde e.V., Frauenberg.

Gugenberger/Schweidlenka schreiben über Wirths Wirken:

"Wirth ruft vor allem junge Akademiker auf, eine neue nordische Geistesbewegung esoterisch fundiert aufzubauen, um ein nordisches Europa 'mit Deutschland als Mitte und Herz des Abendlandes' herbeizuführen. Für diesen nordischen Aufbruch prophezeite er bereits 1960 ein 'wiederkehrendes und erstarkendes Heidentum', denn das Abendland sei im Untergrund heidnisch geblieben und werde es wieder werden." 69

Die beiden Autoren schreiben, 1980/82 habe es geradezu einen "Wirthboom" gegeben. Im Jahre 1979 sei Wirth von dem Hopidissidenten James Kootshongsi besucht worden, um mit ihm über alte Symbole zu plaudern.

In einem Interview hatte Wirth zuvor erklärt, daß die "Hopi noch genau das leben würden, von dem er immer sprach". 70 Herman Wirths Anschauung faßte er selbst einmal in folgendem Satz zusammen: "Die Entheiligung von Leben und Erde und die Entweihung, Entmächtigung und Herabdrückung der Frau sind die beiden großen geschichtlichen Vergehen des mosaischen Christentums wider das nordische Abendland." 71

In dem ersten Band von Landigs Thule-Trilogie werden Wirths Anschauungen in den folgenden Kontext gestellt:

"Die Tuatha waren die Träger der jungsteinzeitlichen Großsteingräberkultur und ihr Name bedeutet die 'Deutschen'! Deutsch heißt auf altirisch 'tuath', auf altfriesisch 'thiude' und auf mittelhochdeutsch 'tiutisch', 'tiutsch'. Die Vergangenheit zeigt auf, daß der Begriff 'deutsch' sprach- und volksgeschichtlich vom baltischen Raum bis Schottland, Irland und nach Süden bis zu den vorrömischen Italikern reicht. Dies umschließt die jüngere Steinzeit oder den Zeitraum von sechstausend bis zweitausendfünfhundert vor der Zeitenwende. Die im Bereiche dieses Raumes befindlichen großen Steingräber, die Megalithgräber, Dolmen, Hünebetten in Norddeutschland, Skandinavien, Schottland, Irland, Holland und Nordwestfrankreich sind noch vorhandene Zeugen des einheitlichen Kulturkreises, der Nordsee-Kultur. Sie umfaßte das ganze atlantische Europa in einer kultischen, religiösen und weltanschaulichen Gemeinsamkeit.

Nach dem Untergang von Doggerland wurden die restlichen Tuathavölker im letzten Jahrtausend vor der Zeitenwende von den Kelten in erbitterten Kämpfen besiegt und damit auch die großen Überlieferungen des Tuatha-Reiches weitgehend vernichtet. An Stelle der Ban-Tuath, der Volksmütter oder der weisen Frauen der Vorzeit, den Trägerinnen und Hüterinnen der urnordischen Ethik und des Volkstums, traten die Druiden-Schamanen, von denen die Schriftsteller der Antike berichteten, daß sie einem blutrünstigen Aberglauben huldigten. Dennoch erhielten sich hohe, weltanschauliche Restwerte aus der Megalithgräberzeit der Tuatha, vor allem Begriffe ihrer weisen Gottschau.

Ein gemeinschaftlicher Grundzug ihres Gotterlebens war der Glaube an einen Gott-Vater, den 'Großen Geist'; den Weltengeist jenseits von Zeit und Raum. Das große Weltgesetz, die Weltordnung offenbarte sich ihnen in Zeit und Raum durch den kosmischen Umlauf. Dies war der 'Sohn' Gottes! So wirkte und offenbarte sich Gott-Vater durch den 'Sohn', dem Inbegriff der kosmischen Weltordnung, der ewigen Wiederkehr, dem Jahr als kosmische Gesetzmäßigkeit. Es ist dies das große, die Welt umspannende Gesetz, das in den altindischen Schriften als Ordnung des Varuna, des Willens des höchsten Himmelsgottes, aufscheint. Es kann daher keineswegs überraschen, wenn die altirischen Sagas berichten, daß der die Liebeslehre eines 'weißen Christ' verkündende Patrick und seine Begleiter nicht nur als Erlöser von den Blutriten der Druiden-Schamanen, sondern als wiederkehrende Hügel-Leute von den Iren begeistert begrüßt wurden! Nicht der orientalische Christ mit dem fremden Kehllaut der beiden Anfangsbuchstaben war zu ihnen gekommen, sondern der alte nordische Krist, der Gott-Sohn des Weltengeistes aus dem sagenhaften Avallon.

Dieser Gottessohn im Urglauben, dessen Runen in den vorgeschichtlichen skandinavischen Felszeichnungen und in denen Nordamerikas aufscheinen, ist niemand anderer als Thor. Der Thor der späteren Edda, der Sohn Allvaters und der Erde; der Hammer- und Jahrgott der skandinavischen Bauernstabkalender. Er erscheint in den vorgeschichtlichen Felszeichnungen in drei sinnbildlichen Armhaltungen seines Jahreslaufes. In der Wintersonnenwende auferstehend, wiedergeboren, als Gestalt mit hochhebenden Armen. Die Man-Rune der Stabschrift! Es ist dies zugleich das große Heilszeichen der nordatlantischen Weltsendung. [...]

Es ist das große Verdienst des deutsch-holländischen Gelehrten Herman Wirth und des Deutschen Wegener, durch ihre Forschungen eine klare Rückschau in die Vergangenheit der Menschheitsgeschichte ermöglicht zu haben. Die blutseriologischen Untersuchungen von Laurence Snyder bestätigen das Entwicklungsbild der Vorzeit. Die sprach- und schriftgeschichtlichen Feststellungen des Franzosen Terrien de Lacouperie und die parallelen Vermutungen Gobineaus, die archäologischen Ergebnisse von Hubert Schmidt in China und die Arbeit von Röck über die uralten Kulturbeziehungen der Tolteken zur Alten Welt in den Mitteilungen der Wiener Anthropologischen Gesellschaft, sind alle eine Abrundung und Bestätigung des großen Werkes der beiden erstgenannten Gelehrten, denen auch Julius Evola in seinem geschichtsphilosophischen Aufbau erkennend beipflichtet.

Um bei Herman Wirth zu bleiben: Je weiter die Schichten der Kulturreligionen des Altertums zurückliegen, seien es die altsumerischen, die altpersischen, altindischen, altägyptischen und die altgermanischen Überlieferungen, desto mehr zeigt sich eine Verschmelzung der Gottheitsgestalten als Verbesonderungen einer ursprünglich einheitlichen, kosmischen Gottesvorstellung, um sich schließlich ganz darin aufzulösen.

Die Offenbarung Gottes durch seinen Sohn im kosmischen und weltlichen Jahr ist zugleich das Gesetz des ewigen Wandels und der ewigen Wiederkehr. Auf dem Entstehen, Vergehen und Wiedergeborenwerden beruht die sittliche Weltordnung. Der Gottessohn trägt das Himmelslicht, ohne selbst Sonne zu sein. Sie ist nur seine substantielle Offenbarung als Licht und Wärme, als lebenserweckendes Prinzip.

Auch die alten Iranier kennen den Gottessohn mit dem Licht aus dem airyanem vaejo, das im äußersten Norden lag und nicht nur der Ursprung ihres Geschlechts, sondern zugleich der Sitz des 'Glanzes' war. Jener mystischen Kraft, die den arischen Rassen und vor allem ihren göttlichen Königen eignet. Es war der Ort, wo sich die kriegerische Religion Zarathustras zum ersten Male geoffenbart habe. Die 'Insel des Glanzes', wo Narayana, der 'das Licht ist', im Norden seinen Sitz hat. Der Gottsohn, der 'über den Wassern steht', über dem Zufall des Geschehens. Sie berichten auch von einer nordischen Urrasse, den Uttarakara. An Hand der erschlossenen steinzeitlichen Schrift- und Kultsymboldenkmäler des atlantischen Abendlandes steht fest, daß der Gang der Kulturentwicklung von Norden und Westen nach dem Osten ging. Nur das mangelhafte Wissen um die ältesten Urkunden, der atlantischen Linearschrift und Symbole, war die Ursache einer bisher entgegengesetzten Annahme. Nicht aus dem Osten, sondern aus dem Norden kam das Licht in die Welt!" 72

Ich hoffe, daß das Mosaikhafte dieser Darstellungen deutlich auf ein Ganzes hinweist. An sich müßte jeder dieser Zusammenhänge in einer eigenen ausführlichen Arbeit kritisch dargestellt werden. Es soll aber Sinn dieser Arbeit sein, einen kleinen Einblick in die geschlossene Weltsicht von Menschen zu ermöglichen, die sich z.B. in den eben zitierten Anschauungen, wie sie in den Landig-Büchern ausgebreitet werden, verirrt und verfangen haben.

Es mag darüber gestritten werden, wie weit diese Anschauungen verbreitet sind. Allerdings würde ich den vorliegenden Aufsatz nicht verfaßt haben, wenn ich nicht der Ansicht wäre, sie seien wirksam. Denn selbst wenn nicht viele Menschen diese Anschauung vom "nordischen Gott" vertreten, würde das über die Wirksamkeit dieser Ideen leider nicht viel aussagen.

 

 

Anmerkungen:

1. Arfst Wagner: Anthroposophen und Nationalsozialismus. Probleme der Vergangenheit und Gegenwart (Teil I). In: Flensburger Hefte 32: Anthroposophen und Nationalsozialismus. Flensburg 1991, und: Arfst Wagner: Anthroposophen und Nationalsozialismus (Teil II). In: Flensburger Hefte Sonderheft Nr.8: Anthroposophen in der Zeit des deutschen Faschismus / Zur Verschwörungsthese. Flensburg 1991.

Siehe auch: Arfst Wagner (Hg.): Sonderreihe der Beiträge zur Dreigliederung des sozialen Organismus: Dokumente und Briefe zur Geschichte der Anthroposophischen Bewegung und Gesellschaft in der Zeit des Nationalsozialismus. Band I–V. Rendsburg 1991–1993.

2. Rainer Zitelmann: Hitler – Selbstverständnis eines Revolutionärs. Stuttgart 3 1990, S.11 f.

3. Werner Greub: Wolfram von Eschenbach und die Wirklichkeit des Grals. Dornach 1974.

Siehe dazu die Besprechung des Greub-Buches durch Christoph Lindenberg, in: Flensburger Hefte Nr.32, a.a.O., S.147 ff.

4. C.G. Harrison: Das transcendentale Weltenall. O.O., 1897, S.7.

5. Eberhard Jäckel: Hitlers Weltanschauung. Stuttgart 1981, S.158.

6. ebd., S.159.

7. Rudolf Steiner: Vergangenheits- und Zukunftsimpulse im sozialen Geschehen. GA 190, Dornach 3 1980, 23.03.1919, S.56 f.

8. Friedrich Heer: Der Kampf um die österreichische Identität. Wien/Köln/Graz 1981, S.355 ff.

9. Trevor Ravenscroft: Der Speer des Schicksals. Zug/Schweiz 1974.

10. Siehe dazu: Christoph Lindenberg: Jenseits von Wahrheit und Wirklichkeit. In: Flensburger Hefte Nr.32: a.a.O.

11. Russell McCloud: Die schwarze Sonne von Tashi Lhunpo. Vilsbiburg 1991.

12. ebd., S.5 f.

13. ebd., S.156 f.

14. ebd., S.168 f.

15. 2000 – Magazin für Neues Bewußtsein. Nr.88/89, August/September 1992. Darin neben anderem: Stefan Ulbrich: Die Schwarze Sonne – Die magischen Wurzeln des Nationalsozialismus.

16. Howard A. Buechner/Wilhelm Bernhart: Adolf Hitler and the Secrets of the Holy Lance. Matairie/Louisiana 1988.

17. Dieselben: Hitlers Ashes. Metairie/Louisiana o.J.

18. Stefan Ulbrich: a.a.O., S.99.

19. Norbert Frei: Der Führerstaat. München 1987, S.200.

20. ebd., S.196.

21. Siehe: Arfst Wagner: Anthroposophen und Nationalsozialismus (Teil I), a.a.O., S.35.

22. Heinz Höhne: Der Orden unter dem Totenkopf. München/Augsburg 1967/1992, S.141 ff.

23. Heinrich Himmler: Wesen und Aufgabe der SS und der Polizei. In: Der Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Militärgerichtshof. Nürnberg 1948, Band 24 der amtlichen Ausgabe, S.207.

24. ebd., S.229 f.

25. ebd., S.219.

26. ebd., S.233 f.

27. Derselbe: Die Schutzstaffel als antibolschewistische Kampforganisation. München 1937, S.9 f. und 26 f.

28. ebd., S.31.

29. Horst E. Miers: Lexikon des Geheimwissens. Freiburg/Br. 4 1981, S.139.

30. Julius Evola: Grundrisse der faschistischen Rassenlehre. Berlin o.J., S.218 f.

31. John M. Steiner: Über das Glaubensbekenntnis der SS. In: Tradition und Neubeginn – Internationale Forschungen zur deutschen Geschichte im 20. Jahrhundert. Hg. Joachim Hütter/Reinhard Meyers/Dietrich Papenfuß. Köln/Berlin/Bonn/München 1975, S.317 ff., hier: S.317.

32. ebd.

33. ebd.

34. ebd., S.318.

35. ebd.

36. ebd.

37. ebd., S.319.

38. ebd., S.320.

39. Hermann Rauschning: Gespräche mit Hitler. Zürich 1940. Und: Louis Pauwels/Jacques Bergier: Aufbruch ins dritte Jahrtausend. Bern/München 1962.

40. John M. Steiner: a.a.O., S.325.

41. ebd.

42. ebd.

43. ebd.

44. ebd., S.321.

45. Otto Rahn: Kreuzzug gegen den Gral. Freiburg/Br. 1933.

46. Literatur zum Thema Gral:.

Greub, a.a.O.

Rudolf Steiner: Christus und die geistige Welt – Von der Suche nach dem heiligen Gral. Dornach 5 1977.

Arno Borst: Die Katharer. Freiburg/Basel/Wien 2 1992.

Rudolf Meyer: Zum Raum wird hier die Zeit. Stuttgart 3 1980.

47. Karlheinz Weißmann: Der Gral in den Pyrenäen – Der Neo-Kartharismus und seine Verbreitung in Deutschland. In: Materialdienst der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen. Heft 1/93. Stuttgart, S.15 ff.

48. Siehe Anm. 7.

49. Otto Rahn: Luzifers Hofgesind. Struckum 2 1985.

50. Derselbe: Kreuzzug gegen den Gral. Stuttgart 3 1974. Mit einem Vorwort und Nachwort von Karl Rittersbacher. Hier: S.304 f.

51. Brief Otto Rahns an den SS-Oberführer K.M. Weisthor vom 27.09.1935. In: Karl Hüser (Hg.): Wewelsburg 1933 bis 1945 – Kult und Terrorstätte der SS. Paderborn 2 1987, S.204.

52. ebd., S.206.

53. Wilhelm Landig: Götzen gegen Thule. Wiernsheim-Iptingen 2 o.J.; Wolfszeit um Thule. Wien 1980; Rebellen für Thule. Wien 1991.

54. Eduard Gugenberger/Roman Schweidlenka: Mutter Erde, Magie und Politik. Wien 2 1987, S.94.

55. Rudolf John Gorsleben: Die Hoch-Zeit der Menschheit. Das Weltgesetz der Drei oder Entstehen – Sein – Vergehen in Ursprache – Urschrift – Urglaube. Bremen 2 1981.

56. Siehe Anm. 20.

57. Edmund Kiß: Welteislehre. Leipzig 1933.

58. ebd., S.3 ff.

59. ebd., S.40.

60. ebd., S.101.

61. Landig: Wolfszeit um Thule, a.a.O., S.121.

62. ebd., S.122 f.

63. Zur Atlantisforschung:.

Jürgen Spanuth: Das enträtselte Atlantis. Stuttgart 1953.

Derselbe: Atlantis. Tübingen 1965.

Derselbe: Die Atlanter. Tübingen 1976.

Eberhard Zangger: Atlantis – Eine Legende wird entziffert. München 1992.

Rudolf Steiner: Unsere atlantischen Vorfahren. In: Rudolf Steiner: Aus der Akasha-Chronik. GA 11, Tb., Dornach 1975, S.20 ff.

W. Scott-Elliot: Atlantis nach okkulten Quellen. Zürich 1977/78.

64. Eduard Gugenberger/Roman Schweidlenka: a.a.O., S.118.

65. Herman Wirth: Was heißt deutsch? Jena 1931, S.56.

66. Derselbe: Um den Ursinn des Menschseins. Wien 1960, S.98 f.

67. Eduard Gugenberger/Roman Schweidlenka: a.a.O., S.119.

68. Siehe ebd. und Walter Drees: Herman Wirth bewies: die arktisch-atlantische Kulturgrundlage schuf die Frau. Vlotho-Valdorf o.J.

69. Eduard Gugenberger/Roman Schweidlenka: a.a.O., S.120.

70. ebd., S.122.

71. Herman Wirth, zitiert nach: Eduard Gugenberger/Roman Schweidlenka: a.a.O., S.121.

72. Wilhelm Landig: Götzen gegen Thule, a.a.O., S.252 ff.