Arfst Wagner
Was
kann jetzt noch Normalität heißen
-
Orientierungsveruche in einer schlagartig veränderten Welt -
Über die
Globalisierung des Egoismus
Der ungeheuerliche Anschlag
auf das World Trade Center in New York hat den internationalen Terrorismus
wieder in das Blickfeld der sogenannten zivilisierten Welt gerückt. Stehen wir
nun vor der Verwirklichung von Visionen, die wir in den letzten Jahren nur aus
Kinofilmen wie "The day after" oder "Matrix" kennen?
In den Tagen nach dem
Anschlag auf das World Trade Center, dem 11. September 2001, bestimmten neben
dem Entsetzen über die Tat und die Trauer um die vielen tausend Toten jede
Menge Klischees die Nachrichten in den Medien und die öffentliche Diskussion.
Auch die Informationen aus den Medien können die Tatsache nicht verdecken, dass
der Kenntnisstand des durchschnittlichen Mitteleuropäers oder Amerikaners
bezüglich des Islam, der politischen Hintergründe des Terrorismus oder gar der
politischen Hintergründe der westlichen Politik eher dürftig genannt werden
muß.
Es ist wohl richtig, eine
Rückkehr zur "Normalität" im herkömmlichen Sinne wird es nicht mehr
geben. Und das ist auch gut so. Denn: Was ist "normal"? Haben uns nicht
gerade die Anschläge deutlich gemacht, dass die "Normalität" unserer
Spaßkultur eben nicht normal ist? dass die (vielfach verdrängten) Probleme der
Welt bewältigt werden müssen, wollen wir die Form von Normalität erreichen, die
den Menschen auf der ganzen Welt ein menschenwürdiges Dasein ermöglicht?
Seien wir uns darüber im
Klaren: Die ungeheuerlichen Vorgänge vom 11. September 2001 bringen eine
Unsicherheit mit sich, die Antworten verlangt. Menschen wollen Orientierung.
Und deshalb neigen viele zu vorschnellen kurzschlüssigen Urteilen. Mag mancher
der Ansicht sein, dass das Böse auf der Welt dadurch ausgelöscht wird, dass
Osama bin Laden und seine Organisation auseinandergebombt wird: Die Ursachen
für den Terrorismus werden dadurch nicht beseitigt.
Mögliche Gefahren
Welche Gefahren kommen nun
in der nächsten Zukunft resultierend aus der jetzigen Weltlage auf uns zu,
selbst wenn wir den zu erwartenden Militärschlag der USA und dessen unabsehbare
Folgen hier außer acht lassen?
Werden wir uns klar: Die
Sicherheitskonzepte werden völlig neu überarbeitet werden. "Es wird ein
Stück Freiheit geopfert werden müssen", so konnte man verschiedene
Politiker bereits hören. Das "Bündnis gegen den Terror" kann in der
Folge der Ereignisse in den nächsten Jahren zu einem "Bündnis für
Globalisierung" werden und zwar zu einem "Bündnis für Globalisierung
von oben". Und jeder, der in Zukunft die "Globalisierung von
oben" kritisiert, läuft Gefahr, mit den Terroristen in einem Atemzug
genannt zu werden. (2)
Bisher hat sich gezeigt
dass der Primat der Ökonomie vom Westen nicht in Zweifel gestellt wird. Wir
erleben Facetten eines globalisierten Egoismus. Denn: machen wir uns nichts
vor: Der Motor der Globalisierung sind knallharte gruppenegoistische
Interessen. Es ist bezeichnend, dass die UEFA es nicht einmal für nötig hielt,
Fußballspiele am Tage des Anschlags auszusetzen. Auch das Oktoberfest in
München finden statt mit der Begründung, dass wirtschaftlich von dieser
Veranstaltung eine Menge abhängt. Den ökonomischen Interessen wird nahezu alles
untergeordnet.
Die egoistischen
Interessen einzelner Länder und Gruppen prallen in der Außenpolitik immer
härter aufeinander. Religiös-egoistische Fanatismen sprechen Andersdenkenden
die Existenzberechtigung ab. Echtes gegenseitiges Interesse ist demgegenüber
geradezu unterentwickelt und kommt kaum zum Tragen. Und so ist auch zu
befürchten, dass die Kluft zwischen
Islam und der sogenannten christlichen Welt immer größer werden wird, besonders
nach militärischen Aktionen. Ein gegenseitiges Verstehen würde ein
gegenseitiges Interesse aneinander voraussetzen.
Auch die Wut der Armen der
Welt auf diejenigen die den Reichtum der Welt genießen,wird sich immer mehr
steigern. Und so baut sich wieder einmal eine Eskalation der Gewalt auf, die
uns die nächsten Jahrzehnte in Furcht und Schrecken versetzen werden.
Die Grenze zwischen Gut und Böse geht mitten durch
jeden Menschen
Osama bin Laden sieht in
den USA "das Böse". Für Präsident Bush ist der Terrorismus die
"Verkörperung des Bösen" auf der Welt. Mit diesen Worten werden
dieMenschen geblendet. Eskalation der Vorgänge wird die Folge sein. Und auch
die unglaubliche und erfreuliche Solidarität mit den Opfern wird diese
Eskalation nicht verhindern können. Das Versagen der westlichen Politik hinsichtlich
der verschiedensten Konflikte auf der Welt ist offenbar. Osama bin Laden ist
die Verkörperung unseres eigenen gesellschaftlichen (und individuellen)
Versagens. Und nur leise und selten klingen Worte in unsere Ohren wie die eines
protestantischen Pastors: "Meiner Ansicht nach verlä uft die Grenze
zwischen Gut und Böse durch jeden einzelnen Menschen hindurch." Für jeden
psychologisch nur etwas geschulten Menschen ist erkennbar, dass es eine
seelische Unfähigkeit ist, wenn jemand alles Böse immer woanders und nie
innerhalb der eigenen Person zu suchen in der Lage ist.
Vielfach wurde die Frage
gestellt, warum der berechtigte Aufschrei von Millionen von Menschen angesichts
der schrecklichen Anschläge in den USA nicht bereits immer dann ertönte, wenn
die Nachrichten aus Afrika und dem Nahen und Fernen Osten uns über schreckliche
Ereignisse informierte. Wir hatten uns an derartige Nachrichten gewöhnt. Nun
ist es uns bewußt: Es kann jederzeit jeden von uns treffen.
Meinen wir die Trauer um
die Opfer der Anschläge ernst, dann fühlen wir uns individuell, ganz
persönlich, aufgerufen, gleich welcher weltanschaulichen oder politischen
Richtung wir angehören, Konsequenzen aus den Ereignissen zu ziehen und nicht
wieder so rasch wie möglich in die "Normalität" zurückzukehren. Wer
heute in diese "Normalität" zurückkehren möchte zeigt, dass er den
Schritt ins neue Jahrtausend nicht vollzogen hat. Die Normalität des 21.
Jahrhunderts muß jedoch nicht der Terror sein! Wir können uns jedoch zumindest
an den Punkten, wo jetzt Entscheidungen fallen nicht leisten, diese
Entscheidungen aus dem Bewußtsein des 19. oder gar 18. Jahrhunderts heraus zu
fällen. Tun wir das dennoch, so werden weitere schreckliche Ereignisse die
unausweichliche Folge sein.
In seinem Buch
"Rückkehr zum Paradies oder Erbauen des Neuen Jerusalem?" (Flensburg
1992), das sich unmittelbar nach dem Golfkrieg Ende 1991 mit den damaligen
Ereignissen und dessen politischen und religiösen Hintergründen
auseinandersetzt, schreibt Hans-Diedrich Fuhlendorf:
„So kommen Juden, Muslime,
Christen, von moderner Wissenschaft und Technik Begeisterte, Sozialisten und
Nationalisten zu Wort, fast alle in einem Kampf zwischen Gut und Böse, Gott und
Satan drinnenstehend, viele von dem Willen erfüllt, eine altgewordene Welt zu
zerschlagen, um eine neue, bessere, menschlichere aufzubauen. Dabei wird das,
was die einen als gottgewollte neue Weltordnung erstreben, von anderen als von
Satan herrührend verdammt. Die Erwartungen hinsichtlich der neuen Weltordnung
schwanken zwischen der Sehnsucht nach Rückkehr zum Paradies und der Hoffnung,
das Neue Jerusalem, die Stadt auf dem Hügel, erbauen zu können. So wird ein
Bild vom apokalyptischen Charakter unserer Zeit entworfen.“
Hören wir mit geschärften
Ohren auf die Worte der Politiker und Journalisten, die wir derzeit in den
Medien zu Gesicht bekommen. Achten wir darauf, ob ihre Worte uns in der alten,
untergehenden Welt festhalten wollen und uns beispielsweise eine Sicherheit
vorzugaukeln beabsichtigen, die es auf der Welt nicht gibt und nicht geben
kann, oder ob Stimmen laut werden, die zeigen, dass sie ein Bild einer neuen
menschlichen Gesellschaftsordnung vertreten, im Sinne einer Welt, in der alle
Menschen den Vorzug eines menschenwürdigen Daseins erfahren können.
Das Böse, Rudolf
Steiner, der Koran, die "Türken" und die Christen
Viele sind heute der
Überzeugung, dass die zivilisierte Welt ihre Werte vor dem Terrorismus
verteidigen muß. Man muß gegen diese Überzeugung gerade auch als Deutscher gar
nichts einwenden. Man kann aber doch einmal hinterfragen, wie tief diese zu
verteidigenden Werte nicht nur in unserer Zivilisation, sondern besonders in
unserer Kultur verwurzelt sind.
Rudolf Steiner vertrat
diesbezüglich eine radikale Ansicht, die er in einem Vortrag über "die dem
Geist widerstrebenden Kräfte. Grundwahrheiten des Christentums"1 in überraschender Weise darlegte. Zunächst zitierte Rudolf Steiner aus
einem Buch, dessen Titel er zunächst seinen Zuhörern nicht verriet. Er fragt:
„Können wir Menschen noch Christen nennen, die eigentlich sich auflehnen
dagegen, den Christus so zu begreifen, wie er nun eigentlich in unserer Zeit
begriffen werden muß? Nehmen wir einmal an, es käme jemand und würde sagen: Das
von dem Jesus als dem Zarathustra, und dann wiederum von dem Jesus als dem, der
des Menschen Seelensubstanz aufgenommen hat, bevor sie heruntergestiegen ist
auf die Erde, das alles zu glauben widerspricht den Überzeugungen, die ich mir
einmal aus meiner Weltanschauung heraus gebildet habe. Aber an dem einen halte
ich fest, das gibt mir gerade meine Weltanschauung, dass auf eine
übernatürliche Weise, nicht so, wie andere Menschen in die Welt treten, die
Wesenheit, die in Jesus gelebt hat, in die Welt getreten ist, dass diese Wesenheit
gleich nach ihrer Geburt gesprochen hat, was andere nicht tun, und auch
vorausgesagt hat, dass sie nicht sterben werde auf dieselbe Weise wie andere
Menschen. – Nehmen wir an, es käme ein Mensch, der sagte, er könne das glauben.
Da würden wir sagen: Nun ja, das Christentum hat sich eben verteilt auf die
verschiedensten Weltanschauungsströmungen; dieser hat nur das von dem
Christentum aufgenommen, was im Lukas-Evangelium angedeutet wird als der eine
Jesus-Knabe, der aus der nathanischen Linie des Hauses David abstammt.
Nehmen wir an, es würde in
einem religiösen Dokument gerade so etwas ausgedrückt werden, so würden wir
sagen: Nun ja, der Glaube dessen, der das sagt, ist eben beeinflusst von der
unklar gewordenen Tradition, die erst wiederum klar gemacht werden kann durch
die Erkenntnis der Geisteswissenschaft von dem zweiten Jesus-Knaben. – Ich
werde Ihnen ein solches religiöses Dokument vorlesen, das von Jesus handelt,
und ich bitte Sie, selbst zu urteilen darüber, was dieses religiöse Dokument
wert sein könnte:
(Die Bemerkungen zwischen
den Zeilen des Textes sind von Rudolf Steiner. A.W.)
„Eine Erwähnung der
Barmherzigkeit deines Herrn gegen seinen Diener Zacharias“
Sie kennen die Figur des
Zacharias aus der Bibel!
„Da er seinen Herrn im
Verborgenen anrief,
Sprach er: mein Herr
siehe, mein Gebein ist schwach, und mein Haupt schimmert greis,
Und nie war mein Gebet zu
dir erfolglos.
Und siehe, ich fürchte für
meine Sippe nach mir, denn mein Weib ist unfruchtbar.
So gib mir von dir einen
Nachfolger, der mich und das Haus Jakob beerbe, und mache ihn, mein Herr,
wohlgefällig.“ – Das heißt, mache ihn dir wohlgefällig.
„O Zacharias, siehe, wir
verkünden dir einen Knaben, Namens Johannes,
Wie wir zuvor noch keinen
benannten.
Er sprach: Mein Herr,
woher soll mir ein Sohn werden, wo mein Weib unfruchtbar ist und ich alt und
schwach geworden bin?
Er sprach: Also sei`s!
Gesprochen hat dein Herr: das ist mir leicht, und auch dich schuf ich zuvor, da
du nichts warst.
Er sprach: mein Herr, gib
mir ein Zeichen. Er sprach: Die Zeichen sei, dass du, wiewohl gesund, drei
Nächte lang nicht zu den Leuten redest.“
Es ist wie in der Bibel!
„Und er schritt hinaus zu
seinem Volk aus der Nische und deutete ihnen an:“ (
Deutete, weil er nicht
reden konnte)
„Preiset den Herrn morgens
und abends.
Und wir sprachen“
(Das heißt: die
Gläubigen):
„O Johannes, nimm hin die
Schrift in Kräften; und wir gaben ihm die Weisheit, da er ein Kind war,
Und Mitleid von uns und
Reinheit; und er war fromm und voll Liebe gegen seine Eltern und war nicht hoffärtig
und trutzig.
Und Frieden auf ihn am Tag
seiner Geburt und am Tag, da er starb, und am Tag seiner Erweckung zum Leben!“
Das also die Lehre vom
Johannes. Nun geht es weiter.
„Und gedenke auch im Buche
der Maria. Da sie sich von ihren Angehörigen an einen Ort gen Aufgang zurückzog
Und sich vor ihnen
verschleierte, da sandten wir unsern Geist zu ihr,
Und er erschien ihr als
vollkommener Mann.“
Wie in der Bibel! Ein
merkwürdiges Dokument, nicht wahr?
„Sie sprach: Siehe, ich nehme
meine Zuflucht von dir zum Erbarmer, so du ihn
fürchtest.
Er sprach: Ich bin nur ein
Gesandter von deinem Herrn, um dir einen reinen Knaben zu bescheren.
Sie sprach: Woher soll mir
ein Knabe werden, wo mich kein Mann berührt hat und ich keine Dirne bin?
Er sprach: Also sei`s!
Gesprochen hat dein Herr: „Das ist mir ein Leichtes“; und wir
wollen ihn zu einem
Zeichen für die Menschen machen und einer Barmherzigkeit von uns. Und es ist
eine beschlossene Sache.
Und so empfing sie ihn und
zog sich mit ihm an einen entlegenen Ort zurück.“
Sie haben die geistige
Empfängnis des Jesus.
„Und es überkamen sie die
Wehen an dem Stamm einer Palme. Sie sprach:
O dass ich doch zuvor
gestorben und vergessen und verschollen wäre!
Und es rief jemand unter
ihr: Bekümmere dich nicht; dein Herr hat unter dir ein Bächlein fließen lassen;
Und schüttle nur den Stamm
des Palmbaums zu dir, so werden frische reife Datteln auf dich fallen.
So iß und trink und sei
kühlen Auges, und so du eine n Menschen siehst,
So sprich: „Siehe, ich
habe dem Erbarmer ein Fasten gelobt; nimmer spreche ich
deshalb heute zu irgend
jemand.“
Und sie brachte ihn zu
ihrem Volk, ihn tragend. Sie sprachen: O Maria, fürwahr, du hast ein
sonderbares Ding getan!
O Schwester Aarons, dein
Vater war kein Bösewicht und deine Mutter keine Dirne. Und sie deutete auf ihn.
Sie sprachen: Wie sollen wir mit ihm, einem Kinde, in der Wiege
reden?
"Er (Jesus) sprach:
Siehe, ich bin des Gottes Diener. Gegeben hat er mir das Buch, und er machte
mich zum Propheten.
Und er machte mich
gesegnet, wo immer ich bin, und befahl mir Gebet und Almosen, solange ich lebe.
Und Liebe zu meiner
Mutter; und nicht machte er mich hoffärtig und unselig.
Und Frieden auf den Tag
meiner Geburt und den Tag, da ich sterbe, und den Tag, da ich erweckt werde zum
Leben. [...]
Dies
ist Jesus, der Sohn der Maria, – das Wort der Wahrheit, das sie bezweifeln.
Nicht steht es Gott an, einen Sohn zu zeugen. Preis ihm! Wenn er ein Ding
beschließt, so spricht er nur zu ihm: Sei! Und es ist.
Und siehe, Gott ist mein
Herr und euer Herr; so dienet ihm; dies ist ein rechter Weg.
Doch die Sekten sind
untereinander uneinig; und wehe den Ungläubigen vor der Zeugnisstätte eines
gewaltigen Tages!
Mache sie hören und
schauen einen Tag, da sie zu uns kommen. Doch die Ungerechten sind heute in
offenbarem Irrtum."
Und nun Rudolf Steiners
Kommentar, nachdem er diesen Text verlesen hat: "So spricht diese Urkunde
von dem Jesus, von dem in diesem Falle eben nur die eine Gestalt festgehalten wird.
Können wir von dieser Urkunde nicht sagen: Derjenige, der ihr glaubt, glaubt
wesentlich mehr als mancher, der sich in unserer Zeit nicht nur Christ nennt,
sondern das Christentum von Amts wegen lehrt? Glaubt der, der an dieses
Dokument fest glaubt, nicht viel mehr von dem Christentum, als ein solcher, der
sich heute oftmals Lehrer des Christentums nennt? Und glauben Sie nicht, ich
hätte Ihnen ein Dokument vorgelesen etwa – ich weiß nicht, ob Sie es kennen –,
das von ein paar Leuten, von einer kleinen Sekte, als das wirkliche Zeugnis für
ihren Glauben angesehen wird! Ich habe Ihnen aus dem Koran vorgelesen! Die 19.
Sure aus dem Koran habe ich Ihnen vorgelesen, und jeder echte Türke [Zur Zeit
des Vortrags nannte man alle Muslime im deutschen Sprachgebrauch
"Türken", gelegentlich auch bereits "Mohammedaner"; A.W.]
glaubt soviel von Jesus, als in dieser 19. Sure des Koran steht. Damit aber ist
uns der Beweis geliefert, dass zahlreiche von denen, die sich unter uns
Christen nennen, von diesem Christentum nicht einmal soviel wissen und glauben,
dass sie die Berechtigung hätten, sich Türken zu nennen. Man muß schon in
unserer Zeit der Wahrheit ins Antlitz schauen. Wer nicht glauben kann, dass es
sich um ein Ereignis handelt, das nur aus dem Geiste zu verstehen ist, der ist
nicht einmal Türke, viel weniger ein Christ, und er sagt nicht die Wahrheit,
wenn er sich einen Christen nennt. Er müßte wissen, dass ein Türke mehr vom
Christentum glaubt als er selber."
Das „Böse“ und die
„Zivilisation“
Die pseudo-manichäische
Weltauffassung, das Böse müsse aus der Welt, geht heute wieder durch die
Medien. Wir kennen das bereits aus der Regierungszeit Ronald Reagans, für den
der „focus of evil in the modern world" in Moskau lag. In den
Formulierungen von George Bush jr. taucht diese Formulierung nun wieder auf. Er
glaubt, das Böse durch eine militärische Operation aus der Welt schaffen zu
können. Ebenso werden von radikal-islamistischer Seite die USA als der
"große Satan" angesehen, der aus der Welt geschafft werden müßte.
Wenige Stimmen hört man,
die sich so äußern wie ein protestantischer Geistlicher: Seiner Ansicht nach
verlaufe die Grenze zwischen Gut und Böse durch jeden einzelnen Menschen
hindurch.
In
der jetzt beginnenden Auseinandersetzung um den internationalen Terrorismus,
die die Welt möglicherweise wesentlich verändern wird, würde das Primat eines
Militärschlags zeigen, dass die christlichen Werte im Abendland und in den USA
nicht die Stärke besitzen, die derzeitige Weltlage entscheidend zu
beeinflussen. Es nutzt nichts, das zu kritisieren, wenn es ein Faktum ist. Die
Welt wird seit mehr als 100 Jahren vom militärisch-industriellen Komplex
bestimmt. Der Geist folgt dem Profit und (leider) nicht umgekehrt. Die ehrliche
Konsequenz wäre das Eingeständnis, dass die religiösen und ethischen Werte auf
unsere Kultur nur wie ein Lack aufgepinselt sind, dass sie keine Rolle mehr
spielen, wenn es ernst wird. Diesen Lack nennen wir heute
"Zivilisation". Wenn andere Kulturen die unsrige als gottlos
anschauen, so muß uns das überhaupt nicht wundern.
Bereits zu Beginn des 20.
Jahrhunderts hat Oswald Spengler in seinem Buch "Der Untergang des
Abendlandes" die Ansicht vertreten, das Abendland werde am Ende des
Jahrhunderts in der Barbarei versinken. Rudolf Steiner kommentierte das mehrfach
mit dem Hinweis, Spengler würde Recht bekommen, wenn nicht eine geistige
Menschen- und Weltauffassung in Europa zum Kulturfaktor werde. Wie weit eine
solche Menschen- und Weltauffassung Kulturfaktor geworden ist, darüber kann man
heute nicht mehr unterschiedlicher Auffassung sein. Vielleicht können wir noch
darüber streiten, inwieweit wir in der Barbarei versunken sind. Die
Tagesereignisse könnten aber eine solche Diskussion sehr rasch beenden.
Kreuzzugsstimmung in
den USA – eine spirituelle Konsequenz
Rudolf Steiner hat drei
künftige menschliche Fähigkeiten beschrieben, die sich in der Zukunft
entwickeln werden, zunächst aus den Anlagen der einzelnen Menschen heraus.
Diese drei Fähigkeiten werden sich auf jeden Fall entwickeln, nur in welcher
Form sie zum Vorschein kommen, das ist offen.
Die Menschen des Ostens
(Rudolf Steiner: „Russlands und des asiatischen Hinterlandes“)werden eine
instinktive Fähigkeit entwickeln, die mit der Frage der menschlichen Zeugung
zusammenhängt. Die Menschen Mitteleuropas (Rudolf Steiner: „der Mittelländer“)
werden aus Erkenntnissen, die sie aus der Beobachtung von Krankheiten gewinnen
werden, in sich eine Fähigkeit des Heilens (in umfassendem Sinne) entwickeln,
die möglicherweise die Grundlage für jede gegenwärtige spirituelle Entwicklung
in Europa darstellt, und die Menschen des Westens (Rudolf Steiner: die der
„britisch sprechenden Bevölkerung“) tragen in sich die Fähigkeit, eine
spirituelle Technik und den Umgang mit dieser Technik zu entwickeln.2 Rudolf Steiner nennt diese drei Fähigkeiten die eugenetische (Osten),
die mechanisch oder materielle (Westen) und die hygienische okkulte Fähigkeit
(Mittelländer).3
In vielen Berichten und
Kommentaren zu den gegenwärtigen Ereignissen werden wir mit Informationen über
die menschlichen, politischen und ökonomischen Folgen des Anschlags von New
York geradezu überflutet. Das Wort "geistig" taucht nirgendwo auf. Es
wird weder von geistigen Folgen und erst recht nicht von geistigen Ursachen der
Katastrophe gesprochen. Dabei wäre das gerade jetzt notwendig.
Gedanken, die man sich im
Hinblicken auf die Entwicklung spiritueller Fähigkeiten machen muß, wirken auf
denjenigen, der nicht mit ihnen vertraut ist, oft umständlich und kompliziert.
Mancher empfindet sie in der derzeitigen Situation vielleicht sogar als
überflüssig. Oft erzeugen sie sogar Aggressionen.
Das ist auch hier möglich.
Wie wichtig diese sich im geistigen Hintergrund abspielenden Vorgänge sind,
möchte ich an einem Beispiel deutlich machen. Rudolf Steiner führt nämlich das
Folgende aus, dass man schon mit einer gewissen inneren Ruhe und Gelassenheit
wird durchdenken müssen.
"Nun gibt es
Hindernisse für die Entwicklung dieser Fähigkeiten; und die sind mannigfaltiger
Art, und ihre Wirksamkeit ist eigentlich eine recht komplizierte. So ist zum
Beispiel gerade für den Menschen der Mittelländer und der Ostländer ein
bedeutsames Hindernis, die Fähigkeiten, die da kommen sollen, namentlich
wissentlich zu entwickeln, wenn starke Antipathien gegen die Menschen des
Westens in ihnen spielen, wenn diese Dinge nicht objektiv betrachtet werden
können. Das ist ein Hindernis für die Entwicklung dieser Fähigkeiten."
Also, ein Amerikahaß,
selbst oder gerade auch ein unbewußter, würde die Entwicklung der
hygienisch-okkulten Fähigkeit hemmen. Weiter Rudolf Steiner: "Gefördert
werden die materiellen okkulten Anlagen gerade zum Beispiel durch jene
Stimmung, welche in Amerika die sogenannte 'Kreuzzugsstimmung' ist. Diese
besteht darin, dass Amerika berufen sei, Freiheit und Recht, und ich weiß schon
nicht, was der schönen Dinge alle sind, über die ganze Erde zu bringen. Die
Leute glauben das selbstverständlich. Hier ist nicht die Rede von irgendwelchen
Anschuldigungen. Die Leute glauben, dass sie einen Kreuzzug machen. Aber gerade
darin, dass man das Unrichtige glaubt, liegt die Unterstützung nach einer
gewissen Richtung hin. Würde man bewußt das Unrichtige sagen, dann würde man
diese Unterstützung nicht haben.
So ist auf der einen Seite
dasjenige, was jetzt geschieht, unendlich förderlich, auf der andern Seite
hinderlich gerade der Entwicklung derjenigen Fähigkeiten, von denen man sagen
muß, dass sie heute bei den meisten Menschen noch latent sind, dass sie sich
aber gegen die Zukunft hin entwickeln wollen, und dass sie tief eingreifen
werden in die soziale Struktur der Menschen der Zukunft."4
Das bedeutet also,
zusammengefaßt, die amerikanische Bevölkerung braucht die Illusion der
Kreuzzugsstimmung, die auf der anderen Seite möglicherweise Verheerendes
anrichten kann. Die Menschen Europas schädigen die Entwicklung ihrer
spirituellen Fähigkeiten durch einen Antiamerikanismus.
Das bedeutet
selbstverständlich nicht, dass wir aus diesem Grunde zu vollständigen Anhängern
der amerikanischen Kreuzzugsstimmung werden müssen. Wir, also auch unsere
Politiker, haben die Aufgabe, die Folgen der amerikanischen Kreuzzugsstimmung
so weit abzudämmen, dass diese so wenig wie möglich schädlich wirksam werden
können.
(Die noch viel
komplizierteren Vorgänge der Entwicklung der genannten Fähigkeiten können an
dieser Stelle nicht beschrieben werden). (3)
Das Ende der Spaßkultur
In den nächsten Monaten
(und vielleicht Jahren) angesichts der Entwicklung der Verhältnisse seine
bewußtseinsmäßige Klarheit aufrecht zu erhalten, mögen allein die Meldungen von
heute (16.09.01) zeigen: Die Hamburger Morgenpost titelt Ihre Ausgabe vom
Montag, den 17.09.01 mit der Überschrift: "Jene, die Krieg gegen die USA
führen, haben Ihre eigene Zerstörung gewählt".
Wie dramatisch ist die
Situation nun wirklich?
Der Journalist und
Ostasienforscher Peter Scholl-Latour kann es sich aus seiner Altersgelassenheit
heraus leisten, dies deutlich zum Ausdruck zu bringen. Im Gespräch mit Michel
Friedman sagte er unter anderem, man solle sich klar darüber sein, dass die USA
seit 1945 keinen einzigen Krieg gewonnen haben und dass sich schon die Rote
Armee in Afghanistan, sollte dieses Land als Ziel für einen Militärschlag in
Frage kommen, die Zähne ausgebissen hätten. "In Afghanistan ist bereits
alles zerstört. Es gibt dort keine Ziele mehr", so Scholl-Latour. Die bundesdeutschen
Politiker der Regierung und der Opposition bezeichnete er als der Situation
nicht gewachsen. Auf die Frage, was auf uns zukäme, meinte er: Schreckliches.
Aber kaum jemand könne dies sehen oder wolle dies wahrhaben. In einem anderen
Interview weist Scholl-Latour auf die instabile innere Situation Pakistans hin
und meint, die Amerikaner seinen jetzt gerade dabei, Pakistan vollständig zu
destabilisieren.
Es mehren sich in den USA
die Stimmen, die zur Besinnung aufrufen. So schreibt der US-Philosoph Richard
Rurt in einer Sonderausgabe von "Die Zeit": "Jedesmal, wenn die
Vereinigten Staaten Krieg geführt haben, haben die Bürgerrechte gelitten. Er
bezweifelt auch die ehrliche Information der Bush-Administration: "In den
kommenden Monaten sollten wir mit sehr viel mehr Lügen rechnen und mit der
[...] Verfolgung derer, die diese Lügen aufzudecken versuchen." Weiter
meint Rurt: "Der 'militärisch-industrielle Komplex' wird noch mehr Macht
erhalten."
Der amerikanische
Schriftsteller Norman Mailer fordert ein Umdenken in den USA. Die Amerikaner
sollten "endlich lernen, weshalb so viele Menschen ihr Land verabscheuen,
so Mailer in der "Welt am Sonntag". Zitat Mailer: "Wir drängen
in fremde Länder ein und bestehen darauf, unsere Eßgewohnheiten dort zu etablieren,
zum Beispiel McDonald's. Wir errichten unsere Wolkenkratzer, bis die schäbigste
Hauptstadt der Welt ebenfalls einen Ring von Wolkenkratzern um ihre Flughäfen
herum hat. [...] Bis Amerika den Schaden begreift, den es anrichtet, indem es
darauf besteht, dass der amerikanische, auf Profit ausgerichtete 'way of life'
nicht notwendigerweise zu allen Ländern paßt, werden wir die meist gehaßte
Nation der Erde sein!"
Der Hass der Terroristen
richtet sich allerdings nicht nur gegen die USA, sondern gegen die gesamte
westliche Welt. Und er ist so abgrundtief, dass auch Anschläge mit chemischen
oder biologischen Waffen befürchtet werden müssen. Experten sind sich sicher,
dass Osama bin Laden Atomwaffen besitzt. Der Geheimdienstexperte Yosef Bodansky
behauptet in seinem Buch "Der Mann, der Amerika den Krieg erklärte",
dass Bin Laden im Jahre 1993 bis zu 20 Kernwaffen von Pakistan gekauft habe,
darunter Bomben geringer Sprengkraft, sogenannte "Kofferbomben".
Auf
das Buch von Oswald Spengler "Der Untergang des Abendlandes" habe ich
bereits hingewiesen. Es scheint, das Ende der Spaßkultur ist erreicht. Wird
Oswald Spengler jetzt recht bekommen?
"War against
Terror" – Sind die Menschenrechte am Ende?
Mein 16jähriger Sohn
Johannes fragte beim Lesen der Nachrichtenüberschrift des
amerikanischen Senders CNN
"War against Terror": "Für wen soll man da sein?" Krieg
gegen Terror – eine zweideutige Formulierung.
Verdrängungsmechanismen
sind ein Mechanismus, der das Ego schützen soll. Auf Dauer isoliert die
Verdrängung jedoch das Ego mehr und mehr. Man braucht nicht viel von
Psychologie wissen, um das einzusehen. Der Egoismus ist die Grundlage der
westlichen Zivilisation. Der Egoismus mit seinen Verdrängungsmechanismen
verweigert sich der Betrachtung tiefer liegender Ursachen. Die Furcht tut ein
übriges. Es war in verschiedensten Diskussionen in den Medien zu erleben, dass
die Frage nach den Ursachen der Terrorismus in den Hintergrund gedrängt wird.
Am 18.09.01 wurde Karsten Voigt (SPD) in der Sendung "Talk im Turm"
(ntv) nach diesen Ursachen befragt. Er antwortete etwa: "Um diese Frage zu
beantworten, gehen wir zunächst einen Schritt zurück". In seiner Antwort
ging er auf die Frage dann nicht ein. In einer Gesprächsrunde am 19.09.01 wies
Peter Scholl-Latour darauf hin, dass die Sicherheitsdiskussion z.B. den
Flugverkehr betreffend eigentlich keinen Boden habe. Man bräuchte gar keine
Waffen, um zu töten, so Scholl-Latour, denn jeder Kämpfer habe gelernt, mit der
Handkante zu töten. In der gleichen Sendung wurde auf die Frage, die ebenfalls
von Scholl-Latour gestellt wurde, weshalb Menschen überhaupt zu Terroristen
werden, nicht beantwortet.
Das alles kann man als
äußerst problematisch erleben, ohne damit den Anschlägen ihren abscheulichen
Charakter absprechen zu müssen.
In der FAZ vom 19.09.01
schreibt Henning Ritter: "Der Angriff auf das World Trade Center und das
Pentagon hat die Politik der globalen Durchsetzung der Menschenrechte ins reich
der Utopien versetzt. Nicht dass man die Überzeugungen aufgegeben hätte, die zu
dieser Politik inspirierten, doch eine solche Politik setzt die weltweite
Überlegenheit der Vereinigten Staaten voraus., die in diesem Augenblick durch
eine zwingende Symbolik in Frage gestellt worden war. Vor allem aber verträgt
sich eine Politik der Menschenrechte nicht mit jenen Maßnahmen, deren sich die
amerikanische Allianz gegen den Terrorismus bedienen muß. War bisher die
Durchsetzung der Menschenrechte das Argument des Westens für Interventionen, so
ist nun das Argument der Bekämpfung des Terrorismus an deren Stelle
getreten."
Wer sich seit längerem mit
der Geisteswissenschaft beschäftigt, der weiß, dass schon seit längerem
Hinweise darauf gab, dass eine Zeit kommen wird, in der Umstände herrschen
werden, die von den Menschen nicht gelöst werden können. Diese Zeit scheint
jetzt, betrachtet man die gegenwärtigen explosiven weltweiten Verhältnisse,
gekommen zu sein. Eine interessante Vorausschau verfaßte der russische
Religionsphilosoph Wladimir Solowjoff in seiner "Kurzen Erzählung vom Antichrist".5 Es wird eine Gestalt auftreten, die dann diese Probleme lösen wird und
die zum Weltherrscher über alle Religionen und Länder hinweg ernannt werden
wird. Steuert die heutige Entwicklung auf diese Vision zu? Schon die nächsten
Wochen und Monate werden dies deutlich zeigen.
Christlich?
Peter Scholl-Latour wies
in der Gesprächsrunde im WDR vom 10.09.01 darauf hin, dass von einem
"Kreuzzug" der Amerikaner keine Rede sein könne. Zunächst gehe es
nach Aussage der Amerikaner gar nicht um eine religiöse Auseinandersetzung.
Weiter stünden sich die Kreuzritter und Muslime des Mittelalters viel näher,
als der säkularisierte Westen dem Islam, wenn man schon in religiösen
Kategorien denken wolle. Die anwesende Hannoveraner Bischöfin Käßmann, wurde
per Telefon von einer Zuschauerin gefragt, ob sie George Bush für einen
Christen halte. Sie wolle das nicht beurteilen, war die Antwort.
Von den westlichen
Politikern wurde immer wieder betont, es handele sich bei der Reaktion des
Westen nicht um "Rache". Zum Teil sprechen dieselben Politiker aber
von "Vergeltung". Wo da der Unterschied liegen soll, bleibt unklar.
Frau Bischöfin Käßmann
bestritt mit dem Hinweis auf die derzeit vollen Kirchen vehement die Aussage
Scholl-Latours, der Westen sei säkularisiert. Niemand kann bestreiten, dass
natur wissenschaftliche und ökonomische Welt- und Menschenbilder die Leitlinien
der westlichen Welt bilden. Das christliche Weltbild spielt nur eine
untergeordnete Rolle. Auch das mag das westliche Ego nur ungern eingestehen,
wenn überhaupt. Christliche Grundsätze: Du sollst deine Feinde lieben! Liebe
deinen Nächsten als dich selbst! Und vieles mehr.
Die Weltlage ist komplex.
Wer aber diese und andere Grundsätze als "Träumereien" bezeichnet,
bezeichne das Christentum als Träumerei. Er sollte sich auch das eingestehen.
Die Befreiung der
Arbeit als Lösung der soziale Frage?
Im Hintergrund der
Weltproblematik steht das, was man die "soziale Frage" nennt. Es
zeigt sich schon jetzt, dass die Furcht vor der "Globalisierung von
oben", die für viele so aussieht, als wenn sie nur den Wohlhabenden ihre
Pfründe sichern soll, nicht unberechtigt ist. Das World Trade Center war nicht,
wie es heute bezeichnet wird, das Symbol der westlichen Welt, sondern "das
Symbol der globalen Zivilisation" (Ritter in der FAZ). Die "Allianz
gegen den internationalen Terrorismus" wird voraussichtlich zu einer
"Allianz für Globalisierung" werden. Die Sicherheitsmaßnahmen, die
nun im Kampf gegen den Terrorismus entwickelt und eingesetzt werden, bieten in
Zukunft eine gute Voraussetzung der Sicherheitssysteme, die die Globalisierung
zu überwachen in der Lage sein sollen.
Afghanistan ist völlig
verarmt. Ohne die Hilfe von westlichen Hilfsorganisationen wären die Menschen
dort längst verhungert. Jetzt, nach dem Abzug der Helfer, wird der Vorrat an
Reis, Brot, Wasser und Salz (etwas anderes gibt es sowieso nicht mehr) noch für
drei Wochen reichen, so die Meldungen. Eine Millionenflucht wird nach dem
möglichen Angriff der Amerikaner einsetzen. Sie selbst sprechen selbst von einem
"gigantischen Militärschlag". Der Name, den sie der Aktion gegen den
weltweiten Terror gegeben haben lautet: "Infinite Justice". Für das
Wort "infinite" gibt es im Deutschen eine Reihe von
Übersetzungsmöglichkeiten: unendlich, unbegrenzt, endlos, unerschöpflich. In
den Nachrichten wurde "Infinite Justice" mit "unbegrenzter
Gerechtigkeit" übersetzt. Auf jeden Fall erinnert der Name an das
biblische "Jüngste Gericht", der Endzeit vor dem Wiedererscheinen
Christi.
Die ökonomischen
Fähigkeiten der Amerikaner sind bewundernswert. Vor 30 Jahren hieß es, sie
seien wie keine andere Nation in der Lage, für Verteilung von Nahrungsmitteln
und anderen Produkten zu sorgen. Als etwas zynisches Beispiel hieß es, sie
seien in der Lage, auch dem letzten Soldaten in Vietnam noch die Cola-Dose in
die Hand zu drücken. Diese Fähigkeit wäre im Sinne der ganzen Menschheit zu
nutzen (nicht unbedingt mit Cola) – eine große zukünftige Aufgabe für die
Amerikaner. Ist es nun angesichts dieser Verhältnisse eine Illusion, was Rudolf
Steiner als "einzige Lösung der sozialen Frage" bezeichnete?
"[...] Ich habe Ihnen
einiges vorgetragen von den Lösungen der sozialen Frage, denn jene
Dreigliederung der sozialen Ordnung, von der ich Ihnen gesprochen habe, die
löst die Ware von der Arbeitskraft ab, so dass die Menschen i n der Zukunft nur
Ware, nur äußeres Erzeugnis, nur vom Menschen Abgesondertes kaufen und
verkaufen werden, dass aber der Mensch [...] aus Bruderliebe für den anderen
Menschen arbeiten wird. Es mag ein weiter Weg sein, um das zu erreichen, doch
nichts wird die soziale Frage lösen als einzig und allein dieses. Und wer heute
nicht daran glaubt, dass es nur so kommen müsse in der Weltordnung, der gleicht
dem, der Zur Zeit des entstehenden Christentums gesagt hätte: Sklaven muß es immer
geben. So, wie ein solcher dazumalunrecht gehabt hätte, so hat heute derjenige
unrecht, der da sagt: Arbeit muß immer bezahlt werden. [...] Heute können sich
die gescheitesten Menschen nicht denken, dass man eine soziale Struktur haben
kann, in der die Arbeit noch ganz andere Geltung hat, als wenn sie
"bezahlt" wird. Natürlich wird dann aus der Arbeit ein Produkt
hervorgehen, aber das Produkt wird das einzig und allein zu Kaufende und zu
Verkaufende sein. Das wird sozial die Menschen erlösen."6
Es klingt fast wie Hohn,
angesichts der Zeitereignisse hier die Abkopplung des Lohnes von der Arbeit zu
thematisieren. Jedoch muß einem die Dimension klar werden, die ein solcher
Schritt bedeuten würde, sollten sich Möglichkeiten ergeben, in mehreren Ländern
zugleich diese Reste der Sklaverei zu beseitigen. Freiheit ist immer die
Freiheit des einzelnen. Somit muß auch beim Einzelnen mit der Befreiung
begonnen werden.
Ich muß allerdings
zugeben, dass der utopische Charakter eines solchen Schrittes mir völlig bewußt
ist, was jedoch nicht an dieser Idee, sondern an den derzeitigen Verhältnissen
liegt. Aber das ist die Realität. Die Verhältnisse bewegen sich heute eher in
der entgegengesetzten Richtung, was, wenn auch nicht gutzuheißen, so doch zu
akzeptieren ist. Somit muß man wohl sagen, dass weder i n der westlichen, noch
in der östlichen Welt eine solche Idee heute zu verwirklichen ist. Was bliebe
von der sozialen Dreigliederung von der sozialen Dreigliederung überhaupt noch
übrig, wenn man heute versuchen würde, sie, den Verhältnissen angepaßt,
anzuwenden?
Wird jedoch weiterhin ein
Großteil der Menschheit in Armut belassen, so wird sich die angespannte
Situation nicht wirklich ändern; da hilft auch der Einsatz von Militär und
Polizei nichts.
Die von Rudolf Steiner als
einzige Lösung der sozialen Frage bezeichnete Abkopplung von Arbeit und
Einkommen trifft genau auf den Punkt des egoistischen Charakters von Arbeit und
Bezahlung, der heute allerorten üblich ist und der den Menschen, die nicht die
nötige Bezahlung für ihre Arbeit oder sogar gar keine Arbeit erhalten, die
Lebensgrundlage entzieht. Millionen von Menschen, darunter auch Millionen
Kinder, leben in diesen Verhältnissen. Alle Menschen wissen das. Die Ohnmacht
scheint grenzenlos: "infinite".
"Gnadenjahre"
Ein anthroposophischer
Musikwissenschaftler bezeichnete die Jahre von 1945 bis 1950 einmal in einem
Vortrag als "Gnadenjahre", in denen ein kultureller Neuanfang im
umfassenden Sinne möglich gewesen wäre. Diese Jahre seien verschlafen worden.
Wieder wurde die Kultur auf den egoistischen industriellen Komplex aufgebaut,
der schon seit 1871 Deutschland beherrscht, völlig unabhängig von der
jeweiligen politischen Orientierung. Nimmt man es mit der Kennzeichnung der
fünf Gnadenjahre nicht so genau, so können wir gewissermaßen sogar die zweite
Hälfte des 20. Jahrhunderts als Gnadenjahre bezeichnen, die uns zur geistigen
Vorbereitung auf die jetzt kommenden Ereignisse zur Verfügung gestanden haben.
Gesellschaftlich und individuell. Haben wir diese Jahre, gesellschaftlich und
individuell, genutzt? Es wird sich nun schon sehr bald herausstellen.
Kritische Stimmen zur
Globalisierung
Kritische Stimmen zur
Globalisierung waren von Anfang an deutlich vernehmbar. Das Buch "Die
Globalisierungsfalle" von Hans -Peter Martin und Harald Schumann 7 ist eines der Standardwerke, die auf die Probleme der neuen Ökonomie
hingewiesen haben. Die FLENSBURGER
HEFTE brachten 1997 eine Ausgabe unter
dem Titel "Die Welt im Umbruch. Globalisierung und Kampf aller gegen
alle" heraus, in denen sachliche Kritik u.a. Hans-Peter Martin, Michael
Steiner und andere ihre Bedenken zum Ausdruck brachten. In Deutschland gibt es
Gruppierungen wie ATTAC und die mit ATTAC zusammenarbeitende "Sand in the
Wheels", die sachliche Kritik an der Politik der Globalisierung
formulieren. Die neue Welt des e-commerce wird, auch im Zusammenhang mit den
Anschlägen auf das World Trade Center und das Pentagon, von John Rifkin, einem
amerikanischen Gesellschaftskritiker kritisiert: Falls die negativen
Entwicklungen der Globalisierung nicht korrigiert würden, befürchtet er eine
Zunahme des Extremismus weltweit. Die Quellen des Hasses gegen die USA müßten
genau analysiert werden.
Die Gegengewichte zu den
neuen ökonomischen Entwicklungen funktionieren nicht.
Der portugiesische
Literaturnobelpreisträger Josè Saramago meint, dass "ausnahmslos alle
Religionen" nie dazu gedient hätten, die "Menschen einander näher zu
bringen und den Frieden zu mehren". In einem Beitrag in der FAZ schreibt
er weiter, dass die Religionen vielmehr "der Grund für unendliches Leid,
für Massenmorde und ungeheuerliche physische und psychische Gewalt, die zu den
dunkelsten Kapiteln der elenden Geschichte der Menschheit" seien.
Gegenstimmen meinen, das läge nicht an den Religionen, sondern an dessen
Fehlinterpretationen.
"Islamische und
westliche Autoren haben 'verzerrte Gottesbilder', aber auch negative Folgen der
Globalisierung als Ursachen für den ihrer Einschätzung nach möglicherweise noch
wachsenden Extremismus in der Welt genannt", so die Schleswig-HolsteinischeLandeszeitung
am 22.09.01.
Viele Fakten sind längst
bekannt: dass die Schere zwischen Arm und Reich, nicht nur in anderen Teilen
der Welt, sondern auch bei uns in Mitteleuropa, immer größer wird, dass der
Bildungsstand in Mitteleuropa dramatisch sinkt (nach Auskunft der
Weltbildungsorganisation UNESCO können 4 Millionen Deutsche nicht oder nur
mangelhaft lesen oder schreiben. In den alten Bundesländern sollen es allein
drei Millionen Erwachsene sein, was etwa 5% der Bevölkerung ausmacht), dass die
Religion und überhaupt das gesamte Geistesleben der westlichen Welt am
Zusammenbrechen ist. Letzteres wollen viele nicht wahrhaben, aber ich sage es
deutlich: wie sollten diejenigen, die bereits keinen Begriff von Geistesleben
mehr haben, den Verlust des Geisteslebens bemerken?"Warum gibt es kein
Geistesleben in Deutschland?" fragte der österreichische Künstler und
Historiker Friedrich Heer bereits im Jahre 1978!8
Das nicht nur in
Deutschland fehlende Geistesleben bewirkt, dass die Entwicklung der Bewußtseine
der Menschen mit der ökonomischen Entwicklung nicht mehr Schritt halten können.
Sie werden buchstäblich überrollt, auch wenn die überhaupt in irgendeiner Form
in den Genuß der Vorzüge des e-commerce kommen. Rudolf Steiner führte von den
verschiedensten Gesichtspunkten aus, dass sich die Menschheit gegenwärtig in
einer Zeit befindet, dass er das "Zeitalter der Bewußtseinsseele"
nannte.
Über diesen Begriff ist
bisher viel zu wenig gearbeitet worden. Steiner meinte, dass die englischsprechende
Weltbevölkerung aus ihren Anlagen heraus diese Bewußtseinsseele quasi mit der
Muttermilch einsaugen würde, dagegen der Mitteleuropäer, der die
Bewußtseinsseele in sich zur Entfaltung bringen möchte, dazu erzogen werden
bzw. sich selbst dazu erziehen müsse. Aus diesem Aspekt heraus ist die Tendenz
der Amerikaner, sich in der Welt zu engagieren, absolut positiv zu verstehen.
Nur benötigen sie, wie alle anderen Teile der Menschheit auch, Hilfe und
Korrekturen. Und das eigentlich als allerletztes auf militärischem, vielmehr
auf geistigem Feld. Bewußtseinsseele entwickeln, dass heißt, sehr verkürzt
ausgedrückt, sich darüber klar zu sein, dass es auf der ganzen Welt nichts
gibt, was nicht interessant ist und was mich nichts angeht. Positiv gesagt: Restlos
alles auf der Welt ist für jeden Menschen von Bedeutung! Dostojewski hat es auf
seine Weise so ausgedrückt: Jeder ist an allem schuld.
Zur Lage der Frauen in
Afghanistan
Jahrelang haben wir weggeschaut.
Jetzt, wo es gelegen kommt, Emotionen gegen die Taliban zu schüren, bringen die
Medien Berichte über Afghanistan. Und die Berichte sind erschütternd.
Informationen hätten aber auch schon vorher jedem Einzelnen zur Verfügung
gestanden.
Besonders furchtbar sind
die Berichte über die Frauen (und damit auch über die Kinder!) in Afghanistan.
In dem von der westlichen Völkergemeinschaft finanzierten Kabuler
Fußballstadion finden keine Fußballspiele, sondern Erschießungen von
sogenannten Ehebrechern und Ehebrecherinnen statt. Vor Zehntausenden von
Zuschauern. In einem Interview wurde der afghanische Außenminister gefragt,
warum die Regierung so etwas tut. Seine Antwort lautete: Das Stadion sei zu
freudigen Ereignissen erbaut und die Erschießung unmoralischer Menschen sei ein
freudiges Ereignis. Und wenn das dem Westen nicht passe, dann könne er den
Afghanen ja eine Hinrichtungsstätte finanzieren.
Frauen in Afghanistan
dürfen nicht mit Männern zusammenarbeiten und umgekehrt. Frauen dürfen
eigentlich gar nicht arbeiten. Das führt dazu, dass viele Tausend Frauen in
Kabul überhaupt kein Einkommen haben und betteln müssen, um ihre Kinder und
sich selbst zu ernähren. Ernähren, das bedeutet: täglich ein wenig Reis, Salz,
Wasser und Brot zu haben. "Blaue Kinder": so heißen Kinder, die in
den Wintermonaten im Freien in den Armen ihrer Mütter erfrieren.
Das geheime Frauennetzwerk
RAWA, das in Kabul unter Lebensgefahr heimlich eine Schule betreibt, in der
auch Mädchen über 12 Jahren noch lernen können (das ist unter Androhung
schwerer Strafen für alle Beteiligten streng verboten), gab bekannt, dass mehr
als 1/3 der Bevölkerung Afghanistans nicht mehr in der Lage sei, sich selbst zu
ernähren. Die jetzt abgereisten westlichen Hilfsorganisationen gaben vorgestern
(20.09.01) bekannt, dass die knappen Lebensmittel in Afghanistan noch für 2 bis
3 Wochen reichen würden. Dann gäbe es nichts mehr.
Die englische Journalistin
afghanischer Abstammung Saira Shah hat kürzlich unter schwierigsten Bedingungen
einen Film über ihre alte Heimat gedreht. Mehrfach geriet sie bei den
Dreharbeiten in Lebensgefahr. Sie besuchte die Frauen von RAWA und erfuhr von
dem schrecklichen Leid der Bevölkerung, besonders der Frauen. "Eine vom
Wahn regierte Welt" nennt sie die Zustände in dem von den Taliban
regierten Land. Die Regierung schlachtet das eigene Volk ab oder läßt es
verhungern. Das alles sind Fakten, die hier nicht deshalb genannt werden, um
einen Militärschlag gegen Afghanistan emotionell zu rechtfertigen, der bei
Verfassen dieses Artikels nach Auskunft der Nachrichten unmittelbar bevorstand.
Aber es muß das Ausmaß der katastrophalen und hochbrisanten Situation deutlich
werden.
In Rahmen eines
Themenabends "Afghanistan" auf dem Fernsehsender ARTE am 20.09.01
wurde berichtet, dass einer im Ausland lebenden Afghanin, die mit ihrer
Freundin in Kabul über Satellitentelefon kommunizierte, von dieser gesagt
wurde: "Es ist besser, eine amerikanische Bombe fällt auf uns, als dass
wir so weiterleben müssen wie bisher." Diese Erfahrung bestätigte eine in
Paris lebende Afghanin, die auch Kontakte in ihre alte Heimat aufrechterhalten
hat.
Es wurde an diesem Abend
in ARTE ein afghanisches Mädchen gezeigt, sie ist etwa 12 bis 14 Jahre
alt, der alle Fingerkuppen abgeschnitten worden waren, weil sie Nagellack
benutzt hatte.
Arundhati Roy – eine
Stimme aus Indien
„Eine Koalition der
Supermächte schließt nun einen Ring um Afghanistan, eines der ärmsten Länder
der Welt, dessen Taliban-Regierung Osama bin Laden Unterschlupf gewährt. Das
einzige, was in Afghanistan noch zerstört werden könnte, sind die Menschen.
(Darunter eine halbe Million verkrüppelter Waisenkinder. Es wird berichtet,
dass es zu wildem Gedrängel der Humpelnden kommt, wenn über entlegenen,
unzugänglichen Dörfern Prothesen abgeworfen werden.) Die afghanische Wirtschaft
ist ruiniert. Aus Bauernhöfen sind Massengräber geworden. Das Land ist übersät
mit Landminen – nach jüngsten Schätzungen zehn Millionen. Eine Million Menschen
sind aus Furcht vor einem amerikanischen Angriff zur pakistanischen Grenze
geflohen. Es gibt keine Nahrungsmittel mehr, Hilfsorganisationen mussten das
Land verlassen, und nach Berichten der BBC steht eine der schlimmsten
humanitären Katastrophen der jüngsten Zeit bevor.“ So schreibt die indische
Journalistin Arundhati Roy in der FAZ vom 28.09.01 in ihrem Artikel „Wut ist
der Schlüssel“. Arundhati Roy meint: „Die Zeichen stehen auf Krieg. Was gesagt
werden muß, muß rasch gesagt werden.“ Und so stellt sie Fragen:
„Bevor Amerika das Steuer
der „internationalen Allianz gegen den Terror“ übernimmt, bevor es andere
Länder auffordert (und zwingt), sich an seiner nachgerade göttlichen Mission –
der ursprüngliche Name der Operation lautete „Grenzenlose Gerechtigkeit“ –
aktiv zu beteiligen, sollten vielleicht ein paar Dinge geklärt werden. Führt
Amerika Krieg gegen den Terror in Amerika oder gegen den Terror ganz allgemein?
Was genau wird gerächt? Der tragische Verlust von fast siebentausend
Menschenleben, die Vernichtung von vierhundertfünfzigtausend Quadratmetern
Bürofläche in Manhattan, die Zerstörung eines Flügels des Pentagon, der Verlust
von Hunderttausenden von Arbeitsplätzen, der Bankrott einiger
Fluggesellschaften und der Absturz der New Yorker Börse? Oder geht es um mehr?“
Und sie erinnert daran,
dass die frühere Außenministerin Madeleine Albright auf die Frage, was sie dazu
sage, dass 500000 irakische Kinder infolge des amerikanischen
Wirtschaftsembargos gestorben seien, antwortete, dies sei eine sehr schwere
Entscheidung, doch der Preis sei, alles in allem, nicht zu hoch gewesen.
Arundhati Roy weiter: „Die
Sanktionen gegen den Irak sind übrigens immer noch in Kraft, und noch immer
sterben Kinder. Genau darum geht es: Um die willkürlicheUnterscheidung zwischen
Zivilisation und Barbarei, zwischen „Ermordung unschuldiger Menschen“ oder
„Krieg der Kulturen“ und „Kollateralschäden“.“
Gegenüber den Taliban
schreibt sie: „Die Taliban errichteten ein Terrorregime, dessen erstes Opfer
die eigene Bevölkerung war, vor allem Frauen. Angesichts der
Menschenrechtsverletzungen der Taliban spricht wenig dafür, dass sich das
Regime durch Kriegsdrohungen einschüchtern ließe oder einlenken wird, um die
Gefahr für die Zivilbevölkerung abzuwenden.“
Die labile Situation
Pakistans im gegenwärtigen Konflikt und die möglichen Folgen eines
amerikanischen Militäreinsatzes ausgehend von Pakistanischem Boden vergleicht
sie mit der Situation anderer Länder in der Dritten Welt wie folgt: „Jedes Land
der dritten Welt mit einer schwachen Wirtschaft und einem unruhigen sozialen
Fundament müsste wissen, dass eine Einladung an eine Supermacht wie die
Vereinigten Staaten (ganz gleich, ob die Amerikaner für länger bleiben oder nur
kurz vorbeischauen wollen) fast so ist, als würde ein Autofahrer darum bitten,
ihm einen Stein in die Windschutzscheibe zu werfen.“
Arundhati Roys Fazit:
„Präsident Bush kann die Welt ebenso wenig „von Übeltätern befreien“, wie er
sie mit Heiligen bevölkern kann.
Fürchterliche
Zerstörungskräfte
Und nun noch ein Wort,
dass uns, wenn das Bisherige noch nicht reicht, aus
unserer"Spaßkultur" zu reißen vermag. Ein französischer Journalist
sagte, wie beiläufig: Angesichts der furchtbaren Verhältnisse in Afghanistan
und anderen Ländern des Nahen, Fernen und Mittleren Ostens möchte er doch noch
eines hinzustellen. Er möchte nur ein Wort sagen: Afrika. Dort versinkt derzeit
nahezu ein ganzer Kontinent im totalen Chaos.Und das, was ich hier jetzt
erwähnt habe, ist nicht einmal ein Wassertropfen des unendlichen Leides, dass
es auf der Welt derzeit gibt.
Der bereits zitierte
Rifkin sagt: "Wir reden hier enthusiastisch von Globalisierung, e-commerce
und der Telekommunikationsrevolution, während ein Drittel der Weltbevölkerung
keine Elektrizität hat und 850 Millionen Menschen unterernährt sind."
Rudolf Steiner hat bereits
im Jahr 1919 darauf hingewiesen, dass die Fortsetzung der materialistischen
Weltkultur in den Seelen der Menschen fürchterliche Zerstörungskräfte
freisetzen würde. Die Seele, die geboren werden, und hier gerade auch
spirituelle Seelen, die bestehende materialistische Kultur nur so empfinden
können, dass sie aus der Welt geschafft werden müßte: "Man kann sagen:
Unter den Mächten, welche hingearbeitet haben in der Menschheitsentwicklung,
wenn auch aus einer tiefen Tragik heraus, nach der Vernichtung der ins immer
Materiellere hineinschwimmenden Kultur, unter diesen Kräften sind die
Sehnsuchten der Kinder [...]. Sie haben nicht erscheinen wollen in einer Welt,
die die Fortsetzung darbietet von dem,was vorher war."9 Steiner beschreibt die Kraft, die aus spirituell begründeter
Enttäuschung in vielen Kindern mehr und mehr zum Vorschein kommen wird, wie
folgt: "Man kann diese Kraft ausdrücken als die Sehnsucht, hinwegzuwischen
dasjenige, was sich allmählich auf der Erde angehäuft hat. Natürlich können
solche Kräfte, die in einer solchen intensiven Weise nach einer gewissen
Richtung hin wirken, da sie in Diskrepanz kommen mit anderen Kräften, [...] in
dieser oder jener Richtung benützt werden. [...] Da haben Sie eine der Kräfte,
welche die Vernichtung dieses materialistischer und materialistischer werdenden
Zeitalters anstrebt."
(9)
Richtet sich der Angriff
gegen das World Trade Center wirklich gegen die "Freiheit"? Er
richtet sich zumindest auch gegen die vom Primat der Ökonomie bestimmte
materialistische Welt. Beim Schreiben eines solchen Satzes kommt mir die Frage,
ob der Schreiber eines solchen Satzes jetzt nicht bereits in den Verdacht
gerät, eine terroristische Vereinigung ideologisch zu unterstützen. Unstreitig
ist die gegenwärtige Bedrohung der Freiheit.
Der Name, den die
Amerikaner dem Krieg gegen den Terrorismus gegeben haben, "Infinite
Justice", ist bereits in die Kritik geraten: "Es waren amerikanische
Muslime, die befremdet darauf aufmerksam machten, dass nur Allah grenzenlos
gerecht sei und sein könne, nicht aber schon auf Erden die Armee der
Vereinigten Staaten. Noch in der Freitagnacht begann die Suche nach einem neuen
Codenamen." (FAZ, 22.09.01) Es gibt Zeiten, in denen Entwicklungen
eine Richtung gegeben werden kann. Irgendwann ist diese Zeit abgelaufen und die
Walze der Konsequenzen beginnt zu rollen. Dann kann zunächst nur noch
Schadensbegrenzung betrieben werden. Zunächst heißt, möglicherweise über Jahre
und Jahrzehnte.
Anmerkungen:
1. Rudolf Steiner: Gegenwärtiges und
Vergangenes im Menschengeiste. GA 167,
Dornach
1962, Vortrag vom 16.05.1916, S.243 fff.
2. Siehe dazu: John Worrell Keely:
Fotos und Baupläne seiner Erfindungen. CD-ROM.
Mit
Texten von Keely über das seinen Erfindungen zu Grunde liegende Prinzip
und einem
einleitenden Aufsatz von Arfst Wagner. Erhältlich über: Lohengrin-Verlag;
Mühlenberg 12; D-25782 Tellingstedt.
3. Siehe dazu: Wolfgang Weirauch:
Die drei okkulten Fähigkeiten. In: FLENSBURGER HEFTE 61: "Die Hintergründe von
666". Flensburg 1998.
4. Rudolf Steiner: Die soziale
Grundforderung unserer Zeit – In geänderter Zeitlage.
GA 186,
Dornach 1979, Vortrag vom 01.12.1918.
5. Wladimir Solowjoff: Kurze
Erzählung vom Antichrist. Rendsburg 1988. Erstmals erschienen im Jahre 1900. Neuauflage im
Lohengrin-Verlag in Vorbereitung.
6. Rudolf Steiner: Die soziale
Grundforderung unserer Zeit. GA 186, Dornach 1979,
Vortrag
vom 21.12.1918, S.312.
7. Martin, Hans-Peter/ Schumann,
Harald: Die Globalisierungsfalle. Der Angriff auf Demokratie und Wohlstand. Reinbek 1996.
8. Friedrich Heer: Warum gibt es
kein Geistesleben in Deutschland? München 1978.
9. Rudolf Steiner: Vergangenheits-
und Zukunftsimpulse im sozialen Geschehen. GA 190, Dornach 1980, Vortrag vom 23.03.1919.
(Vorstehender
Artikel ist ein Abdruck aus dem Heft Nr. 74/2001 der: Flensburger Hefte)